Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
nicht schaden, wenn sie gleich erfuhr, wie die Dinge in Sweetheart liefen. »In einer Kleinstadt sieht man nicht oft einen Hundert-Dollar-Schein. Ja, etliche Geschäfte nehmen größere Scheine als Zwanziger gar nicht erst an.«
»Das wusste ich nicht.«
»Wie sollten Sie das auch wissen. Jedenfalls brachte Doodles den Hundert-Dollar-Schein zum Wechseln auf die Bank.« Er lehnte sich mit dem Rücken an die Theke, krempelte sich die Ärmel seines Oberhemds bis zu den Ellbogen hoch und zerrte so lange an der Krawatte, bis er das Ding endlich los war. »Die Leute haben einfach zwei und zwei zusammengezählt und vier herausbekommen.« Er warf die Krawatte über denselben Stuhl wie sein Jackett. Dann zuckte er die Achseln und verschränkte lässig die Arme. »Das heißt in diesem Fall einhundert.«
»Sie sind anscheinend ein richtiger kleiner Detektiv.«
Sam schüttelte den Kopf. »Ich habe Sie ja gestern Abend vorgewarnt: Sie machen Schlagzeilen.«
»Dann machen Sie ebenfalls Schlagzeilen, fürchte ich. Sie haben ja bemerkt, dass die Leute den Eindruck haben, Sie und ich …«
»… seien ein Paar?«, fragte er trocken.
Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »So kann man es auch ausdrücken.«
Es klang mit Sicherheit feiner als »sie ficken herum«, wie er es einmal von ein paar Jugendlichen mitbekommen hatte, die an der Ecke bei der Tankstelle herumlungerten. Er hatte sich damals eingemischt und sie zurechtgewiesen. Aber tief im Innern wusste er auch, dass sie sich nicht darum scheren würden. »Stört Sie der Tratsch?«
Sie musste erst darüber nachdenken. »Ich glaube nein. Es ist praktisch.«
Er war sich keineswegs sicher, ob er sich gerne auf den Begriff praktisch reduziert sehen wollte. »In welcher Hinsicht?«
»Ich muss nicht immer um den heißen Brei herumreden, um einen ausgedehnten Besuch in der Stadt zu rechtfertigen«, sagte sie gleichmütig. »Jeder geht jetzt davon aus, dass Sie der Grund dafür seien.«
»Und wenn Sie dann wieder nach New York zurückgehen?« Sam hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Ms. Charles sich mit dem Tag, an dem die Sechsmonatsfrist abgelaufen wäre, wieder absetzen würde.
»Sie werden denken, es habe mit uns zweien nicht geklappt, schon wieder nicht.« Sie streckte die Hand nach unten und kraulte Max den Kopf, gerade so, als sei das die natürlichste Sache der Welt.
»Sie haben immer alles im Griff, nicht wahr?«
Gillian lachte, doch dieses Mal klang sie kein bisschen amüsiert. »Keineswegs.« Ihr Magen gluckerte einige Male – laut genug, dass beide es hören konnten. Sie drückte die Hand davor; ihr Gesicht war blass, ja nahezu gespenstisch weiß gegen die schwarze Seide ihres T-Shirts. »Ich funktioniere besser, wenn ich etwas im Magen habe. Was halten Sie davon, wenn wir erst einmal essen?«
»Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund«, stimmte er zu.
Warum schien das alles hier viel mehr ein Rendezvous als eine geschäftliche Verabredung von Anwalt und Klientin zu sein?
Vielleicht lag es an der Flasche Wein. Oder an dem unerwarteten Blumenstrauß. Sam hatte Recht. Sie liebte alles Gelbe, besonders bei Blumen, besonders, wenn es ein so schlichter, in feuchtes Seidenpapier eingeschlagener Margeritenstrauß war und einmal nicht die üblichen langstieligen Rosen, die ihr in der Vergangenheit meist dutzendweise in teuren Kristallvasen geschickt worden waren.
Vielleicht lag es auch an dem sommerlichen Abend und der Sonne, die jetzt um sieben Uhr noch als irisierender orangefarbener Feuerball über dem Horizont hing.
Vielleicht war der Grund dafür auch, dass sie in seiner Küche, in seinem Haus standen, seinem Haus mit all seinen persönlichen Sachen rundherum und – eine Etage höher – mit seinem Bett in seinem Schlafzimmer – dem wunderschönen, von seinen Großeltern geerbten antiken Mahagonibett.
Vielleicht lag es auch an dem Jackett und der Krawatte, die achtlos über der Lehne eines Küchenstuhls lagen. Oder vielleicht ließ es sich dem seltsamen Phänomen zuschreiben, dass der Bungalow in dem Moment, als er durch die Tür spaziert war, sowohl größer als auch kleiner geworden schien.
Oder es lag an dem Mann.
Denk nicht an ihn als Mann, Gillian.
Aber wie sollte sie dann an Sam denken?
Denk überhaupt nicht an ihn. Wenn du das tust, wirst du es später bereuen. Du wusstest von Anfang an, dass er Ärger bedeutete. Wenn du das auch nur eine Sekunde lang vergisst, wird es dir hundertprozentig Leid tun.
Der Instinkt warnte sie
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