Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
Jungen mit Fahrrädern – Sam kannte die meisten von ihnen: die Murphy-Zwillinge, Molly Drakes Sohn, der Bigelow-Junge – lungerten gemeinsam an der Ecke herum, wo seine Straße die Main Street kreuzte.
Sam hatte schon immer über ein exzellentes peripheres Sehvermögen verfügt. Das hatte ihm wesentlich zu seinem Ruhm als Quarterback in der High School verholfen und ihm ein vierjähriges Stipendium für Purdue eingebracht. Mag sein, dass er deshalb auch das kurze Aufblitzen von Goldies Brille, in der sich ein Sonnenstrahl brach, wahrnahm. Normalerweise hätte er ihr zugewinkt, aber ihm fehlte ja ohnehin schon eine zusätzliche Hand.
Er unternahm mehrere vergebliche Versuche, die Eingangstür zu passieren. Die eigentliche Haustür stand zwar weit offen, aber offensichtlich war der Riegel der Fliegentür vorgeschoben. Denn als er mühsam den Knauf mit dem kleinen Finger umschlossen hatte und daran zog, rührte sich nichts.
Er trat einen Schritt zurück, hielt mühsam das Gleichgewicht und rief ihren Namen: »Gillian.«
Sie tauchte beinahe augenblicklich auf, als hätte sie ihn schon erwartet, vielleicht aber auch, weil sie seinen Schritt auf den Verandastufen gehört hatte. »Du lieber Himmel, Sam.« Sie schob den Riegel zurück und öffnete ihm. »Was soll ich nehmen?«
»Die Pizza.«
Sie nahm ihm die Pizza ab, und er folgte ihr durch das Haus in die Küche, vorbei an Farbeimern, allerlei Renovierungsutensilien, Säcken, Schachteln und dazu Max, der aufgeregt zwischen ihnen beiden hin und her sprang, als könnte er sich nicht entscheiden, wer von beiden sein Lieblingsmensch in der ganzen weiten Welt wäre.
Sam setzte die Flasche Wein auf dem Tisch neben der Pizza ab, stellte seinen Aktenkoffer beiseite – das Geschäftliche konnte bis nach dem Essen warten – und hielt Gillian die Blumen hin.
»Margeriten.« Ein kleines, beinahe schüchternes, aber sehr attraktives Lächeln erhellte ihr Gesicht. Dann bückte sie sich, kramte unter der Küchenspüle herum und tauchte schließlich mit einer Vase wieder auf, die er nie zuvor gesehen hatte. Mit sicherem Griff füllte sie den Glasbehälter mit Leitungswasser, arrangierte die einfachen Blumen mit ihrem leuchtend gelben Körbchen in der Vase und setzte sie in die Mitte des Tischs. Sam musste zugeben, dass sie perfekt aussahen.
»Woher wussten Sie, dass dieses Gelb meine Lieblingsfarbe ist?«, fragte sie.
»Nachdem Sie drei Eimer gelbe Farbe für die Renovierung meiner Küche und meiner Waschküche gekauft haben, war das nicht so schwer zu erraten.«
»Woher in aller Welt …?« Gillian lachte jenes Lachen, das in ihm den Wunsch weckte, mit einem Lächeln zu antworten. Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Haben Sie mit Doodles gesprochen?«
»Nein.«
Sie streckte die Hand aus und wischte an seinem Ärmel herum. »Staub«, erklärte sie.
Das hatte er ja bereits vermutet. »Der Explorer ist ziemlich verdreckt.« Er wollte mit der Autowäsche noch bis Samstag warten, wenn die Pfadfinder anboten, die Autos zu waschen, um sich Geld für eine neue Gruppenunterkunft zusammenzuverdienen. »Danke«, schob er schnell hinterher.
»Bitte sehr.« Ihre Neugierde war offensichtlich noch nicht befriedigt. »Also sagen Sie schon, wie haben Sie herausgefunden, dass ich gelbe Farbe für die Küche gekauft habe?«
»Über Margie.«
»Margie?« Sie sah ihn verständnislos an.
Sam zog sein Jackett aus und warf es über die Lehne eines Stuhls. Anschließend machte er sich an seiner Krawatte zu schaffen. »Margaret – genannt Margie – Hoyt ist eine der Angestellten, die vor kurzem bei Wal-Mart eingestellt worden sind. Ihre Mutter arbeitet in der Bank neben dem Bagley Building.«
»Verstehe.«
Er zählte Gillians Aktivitäten nacheinander an den Fingerspitzen auf. »Außerdem waren Sie heute Nachmittag in der Antiquitäten-Mall. Sie haben in der Gärtnerei eine Schubkarre voll Blumen erstanden. Sie haben bei Minerva Bagley Tee getrunken. Aus New York kamen drei große, an Sie adressierte Schrankkoffer an. Und Sie haben Doodles hundert Dollar Trinkgeld dafür gegeben, dass er Sie heute in der Stadt herumkutschiert hat.«
Ihr wurde plötzlich heiß im Nacken, und über ihre Wangen flog ein Hauch von Röte. »Ich wusste nicht, was angemessen ist, und Doodles war so geduldig mit mir.« Zwischen ihren Augen erschien eine kleine, aber gut erkennbare Falte. »Es überrascht mich allerdings, dass er Ihnen das erzählt hat.«
»Hat er nicht.« Sam war der Meinung, es könne
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