Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
dafür gewesen.
»Möchtest du noch eine Tasse Kaffee, bevor wir gehen?«, hatte sie gefragt.
»Nein.«
»Hast du schon gefrühstückt?«
»Nein.«
»Hast du Hunger?«
Diesmal hatte er einfach nur dagestanden, den Kopf geschüttelt und sogar auf das Nein verzichtet.
»Geht es dir gut?«
Nicken.
»Tja, ich bin fertig, dann können wir ja gehen«, hatte sie gemeint. Sie hatte sich ihre Handtasche geschnappt, die Autoschlüssel vom Tischchen in der Diele genommen, und Max zugerufen, dass sie bald wieder da sei.
»Geradeaus die Main Street runter«, hatte Sam sie angewiesen. Von da an hatte er seine Instruktionen schnell wieder zu Ein-Wort-Anweisungen zurückgeschraubt. »Rechts.« Oder ein paar Minuten später: »Links.« Und einmal hatte er die Richtung sogar nur mit einer Geste angezeigt und überhaupt nichts gesagt.
Er machte sie nervös, wie er neben ihr so vor sich hin brütete und schwieg und sein Missvergnügen mit jeder Faser seines Körpers zum Ausdruck brachte. Sie war zwar nicht der Typ, der automatisch alles auf sich bezog, aber sie fragte sich doch, ob sie vielleicht etwas falsch gemacht hatte.
Gillian sog die Luft tief ein und ließ sie langsam wieder ausströmen. Während Männer ihrer Meinung nach im Allgemeinen ziemlich leicht durchschaubar waren, war dieser Mann ein absolutes Geheimnis für sie. Selbst nachdem sie in den vergangenen sechs, jetzt beinahe schon sieben Wochen zahllose Stunden in seiner Gesellschaft verbracht hatte, fragte sie sich, ob sie überhaupt etwas über ihn wusste.
O ja, natürlich, sie wusste, dass Sams Lieblingspizza eine Peperoni dreifach war und das Bier seiner Wahl – gut, das Ale seiner Wahl – das Guinness. Sie wusste auch, dass er lieber ins Kino ging, als vor dem Fernseher zu sitzen, allerdings noch lieber las. Seine Lieblingsbücher waren Sachbücher: eine bunte Mischung aus Geschichte, Wissenschaft und wahren Kriminalfällen. Sie wusste, dass in seinen Bücherregalen auch eine Sammlung von Autoren stand, die von Haus aus eigentlich Anwälte waren und später Bestsellerromane gelandet hatten, wie beispielsweise David Baldacci, John Grisham oder Scott Turow.
Im seinem Autoradio war gewöhnlich ein Country-und-Western-Sender oder ein Sender mit Rock-’n’-Roll-Oldies eingestellt. Er war süchtig nach Pistazieneis und hasste die Farbe Kartäuserrot. Er lehnte es ab, sich mit Angebern abzugeben. Und er konnte umwerfend lächeln, was er zwar selten tat, im geeigneten Moment aber mit dem gewünschten Erfolg einzusetzen wusste. Wenn er mit kleinen Kindern sprach, ging er immer in die Hocke, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sein. Er arbeitete hart und glaubte an Gerechtigkeit.
Die Hälfte der unter fünfzigjährigen Frauen dieses Bezirks glaubte, in Sam verliebt zu sein. Die andere Hälfte schmachtete Sweethearts begehrtesten Junggesellen mehr oder weniger offen an und wollte mit ihm ins Bett. Ein kleines Techtelmechtel mit ihm im Heu hätte wahrscheinlich keine von ihnen verschmäht.
Aber er war auch ein Einzelgänger, ein Umstand, den sie verwunderlich fand, wo er doch in einer Kleinstadt lebte, in der buchstäblich jeder seinen Namen kannte und meist auch wusste, womit er sein Geld verdiente.
Ja, und er konnte wunderbar küssen.
Vorsicht, Gillian, ermahnte sie sich selber. Hier gibt es Drachen. Sie betätigte den Blinker – klicketi-klick, klicketi-klick - und bog bei der nächsten Kreuzung nach Norden ab.
Keine Frage, an diesem Morgen war Sam unausstehlich. So hatte sie ihn noch nie zuvor erlebt. Aber vermutlich gab es für alles ein erstes Mal.
Fünf Minuten später bog sie nach Osten ab, vorbei an einem weiteren Maisfeld – seltsam, wie sie sich nach einer Weile alle glichen -, und befand sich schließlich wieder auf dem Rückweg in die Stadt, wobei sie immer langsamer wurde, je näher sie der Stadtgrenze kamen.
»Das ist eine Einbahnstraße«, fauchte der Mann neben ihr wie ein Bär, der einen Dorn in der Tatze hatte.
Sie wusste das.
Ohne sich beirren zu lassen, fragte sie mit fröhlicher Stimme: »Wusstest du übrigens, dass die erste Einbahnstraße 1791 in New York City eingerichtet wurde?«
Sam musste zugeben, dass er immer noch übel gelaunt war, als Gillian vor ihrem Haus – gut, seinem Haus, ohne das Ganze überbetonen zu wollen – vorfuhr, auf die Bremse trat, den Zündschlüssel abzog und den Gang herausnahm.
»Handbremse«, bellte er.
»Ich weiß«, sagte sie und schenkte ihm das Lächeln, das er verdiente.
Er stieg aus und
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