Kuess mich, und ich bin verloren
Augen machte sie das nur noch gefährlicher.
Kurz nach der Hochzeit hatte Brand Anita zum Dinner zu ihnen nach Hause eingeladen. Die beiden Frauen sollten sich etwas kennenlernen, aber Clea war kaum auf Anitas freundliche Gesprächsversuche eingegangen. Den ganzen Abend war sie seltsam befangen gewesen, was Brand nicht entgangen war. Hinterher im Bett war er besonders einfühlsam und zärtlich gewesen. Dabei hatte er ihr geschworen, nur sie zu lieben.
Nach seinem Verschwinden hatte sie sich diesen Schwur immer wieder in Erinnerung gerufen – selbst noch, als sie Fotos von den beiden gesehen hatte. Währenddessen hatten Vater und Harry ihr vorgehalten, sich selbst zu täuschen. Aus Angst vor der daraus folgenden Verzweiflung konnte sie es einfach nicht glauben, dass Brand sie derart betrogen haben sollte.
Das war jetzt Vergangenheit. Du musst ihm vertrauen , ermahnte Clea sich und fragte: „Bei was für einem Projekt hat sie dir geholfen?“
Brand öffnete einen Knopf seines Poloshirts und ließ die Hand über den Kragen gleiten. Cleas Blick wurde von der Kuhle unter seinem Adamsapfel angezogen. Sie sah, wie er schluckte, und wieder entfaltete er einen unwiderstehlichen Reiz auf sie.
„Das spielt jetzt keine Rolle mehr.“
„Ich denke doch.“
An seinem aufgeschreckten Blick erkannte sie, dass ihr Tonfall ihre unterdrückte Wut verraten hatte. Es war egal, allzu oft hatte sie sich zurückgehalten, wenn er ihr ausgewichen war.
„Es war ein Geheimprojekt und wurde inzwischen aufgegeben.“ Seine Schritte wurden plötzlich länger, als wollte er davonlaufen. „Leider konnte ich es nicht bis zum Ende durchführen.“
Das war typisch für Brand. Er hatte ihr nie etwas erklärt. Früher hatte ihr das nichts ausgemacht. Aber sie hatte sich verändert, sie war erwachsen geworden. Und wollte nicht mehr mit einem Mann leben, der sie wie ein Kind behandelte.
Sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. „Gut, du kannst mir also keine Einzelheiten erzählen. Aber du kannst mir zumindest sagen, wo du gewesen bist. Vier Jahre lang.“
Er schüttelte den Kopf. „Das willst du nicht wissen.“
„Oh doch, das will ich.“ Als er weiter schwieg, konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. „Zur Hölle mit dir. Kannst du dir vorstellen, wie sehr ich gelitten habe?“
Clea verlangsamte ihren Schritt, dann wandte sie sich zum Seeufer. Eine kleine Brise kräuselte das Wasser und drückte es gegen das Land.
Sie spürte, wie Brand sich näherte.
All die Jahre des aufgestauten Schmerzes und des schwelenden Zorns brachen sich Bahn. „Nicht ein Wort hast du von dir hören lassen. Hättest du mich in den vier Jahren nicht jedenfalls einmal wissen lassen können, wie es dir geht? Dass du noch lebst?“ Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. „Weißt du, wie einsam ich mich ohne dich gefühlt habe? Wie quälend die Unsicherheit war? Wie viel Angst ich hatte?“
„Clea, es tut mir leid.“ Er fasste sie an der Schulter. All ihre Muskeln zogen sich zusammen. „Ich verstehe es“, sagte er unerwartet sanftmütig und drehte sie zu sich um. „Auch wenn es mir nicht gefällt, verstehe ich es. Du musstest mich für tot halten und hast nach Trost gesucht.“
Er glaubte also immer noch, sie hätte etwas mit Harry gehabt.
Clea wollte seine Hände von ihren Schultern abschütteln und ihm eine Ohrfeige geben, damit er zur Vernunft kam. Konnte er wirklich an nichts anderes denken? Kam ihm nicht einmal der Gedanke, ob sie auch ohne Liebhaber schwanger geworden sein konnte?
„Kannst du dir vorstellen, wie es war, jeden Tag zu grübeln, warum du wohl gegangen bist? Was ich dir getan habe? Was dich an mir abgestoßen hat?“ Sie hatte einen Kloß im Hals.
Brand biss die Zähne zusammen, aber dieses eine Mal zog er sich nicht in sich zurück. „So war es überhaupt nicht.“
„Und seit du wieder hier bist, habe ich immer mehr gedacht, die Ermittler hatten recht, und dass du mich wegen Anita verlassen hast.“ Endlich hielt sie ihren Schmerz nicht mehr zurück, sodass Brand ihn sah.
Er streichelte sie am Hals, dann hielt er zärtlich ihr Gesicht. „Ich hatte mich nicht in irgendein Liebesnest verkrochen. Man hat mich entführt. Im ersten Jahr bekam ich kaum das Licht zu sehen.“
In Cleas Augen blitzte Entsetzen auf. „Entführt? Brand, aber warum?“
„Zunächst habe ich gedacht, Akam, der Anführer der Bande, würde mich für einen reichen Ausländer halten, mit dem er schnell ein paar Dollar verdienen könnte.
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