Kuess mich, und ich bin verloren
Du solltest nicht denken, ich hätte auf etwas verzichten müssen, nur weil wir in Las Vegas geheiratet haben.“
Jetzt erst verstand Brand, dass es genau das für sie gewesen war: ein Verzicht. Für ihn hatte sie auf die romantische Hochzeit in Weiß verzichtet, von der sie immer geträumt hatte und auf die sie jedes Recht hatte, schließlich war sie noch Jungfrau gewesen. Er erinnerte sich, wie ungläubig – und dankbar – er gewesen war, als er das während ihrer Hochzeitsnacht entdeckt hatte. Es war für ihn nicht weniger überraschend, als wäre er auf New Yorks Straßen einem Einhorn begegnet.
„Erinnerst du dich noch, wie du hier im Central Park um meine Hand angehalten hast?“, fragte sie. „Als hättest du meine besondere Neigung zu diesem Ort gespürt.“
Wie konnte er das vergessen? Brand schaute ihr in die Augen. „Es war unerträglich heiß. Und ich habe dich unter einer Eiche gefragt, dem schattigsten Ort weit und breit.“
„Ja.“ Nur dieses eine Wort hatte sie damals auch gesagt. Ihr Blick wurde ganz weich, und sie griff nach seinem Arm.
Ein Hitzeschauer rann ihm durch die Adern. Nach einer Pause, in der nur die Stimmen von den Nachbartischen zu hören waren, strich er über die helle Stelle, die der Ehering an Cleas Ringfinger hinterlassen hatte. „Clea, ich möchte, dass du den Ring wieder trägst – schließlich sind wir immer noch verheiratet.“
Der verträumte Ausdruck wich aus ihren Augen, und sie schüttelte den Kopf. „Das geht nicht.“
Ihre Weigerung traf Brand wie ein Schlag in die Magengrube. Ehe er etwas sagen konnte, kam das Essen. Brand wartete, bis Clea einen Bissen von ihren Ravioli genommen hatte, dann widmete er sich seinem Burger. Sie aßen schweigend, nur gelegentlich klirrte das Besteck.
Brand war in Gedanken versunken. Im Grunde hätte es ihn nicht überraschen dürfen, dass Clea sich ihm widersetzte. Nachdem er sorgfältig kauend den letzten Bissen des Burgers verspeist hatte, nahm er das Gespräch wieder auf: „Wir müssen über Harry sprechen.“
„Harry?“ Clea zog die Augenbrauen hoch. Sie legte Messer und Gabel auf den leeren Teller. „Worüber genau willst du da reden?“
Brand kniff die Augen zusammen. „Du kannst ihn kaum heiraten, solange du noch mit mir verheiratet bist.“ Sie wollte etwas sagen, aber er kam ihr zuvor. „Ich bin nicht tot, darum ist unsere Ehe auch nicht aufgehoben. Und wie du dir denken kannst, werde ich einer problemlosen Scheidung nicht zustimmen.“
„Brand …“
„Vielleicht solltest du dein übereiltes Vorhaben noch mal überdenken.“
„Da war nichts übereilt. Du warst fort. Und ich kenne Harry fast mein ganzes Leben lang.“ Brand kannte die Art nur zu gut, wie sie jetzt das Kinn hob. „Jedenfalls länger als dich.“
„Die Zeitspanne ist unwichtig. Man kann jemanden schon jahrelang kennen und trotzdem nichts über ihn wissen. Aber alles ändert sich, wenn man erst verheiratet ist.“
Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Ich habe dich geheiratet, Brand, einen Monat nach unserem ersten Treffen. Aber so richtig habe ich dich nie kennengelernt – auch wenn wir noch immer verheiratet sind und trotz all der Nächte, die wir gemeinsam nackt in einem Bett geschlafen haben.“ Sie machte eine kleine Pause, ehe sie fortfuhr: „Du hast mir immer wieder versichert, mich zu lieben, aber einen Teil von dir hast du stets vor mir verborgen. Du hattest immer Geheimnisse vor mir.“
Obwohl Brand wusste, wie recht sie hatte, verteidigte er sich: „Einige Dinge konnte ich dir nicht verraten. Da ging es um militärische Angelegenheiten.“
„Aber nicht bei allen.“
„Nein“, gab Brand zu. „Aber auch wenn sie nicht geheim waren, wollte ich über manche Dinge lieber nicht reden. Furchtbare Dinge.“
„Einverstanden. Aber manchmal warst du so unendlich weit entfernt. Zuerst habe ich gedacht, das käme daher, weil du älter bist und so viel mehr gesehen und erlebt hast. Ich weiß es nicht. Du bist mir immer ein Stück weit fremd geblieben.“
Brand fühlte sich in die Defensive gedrängt. „Und du glaubst, bei Harry wäre es anders?“
Ihm gefiel überhaupt nicht, wie sie lächelte. Es sah belustigt aus – und liebevoll.
„Harry liebt mich. Und er würde mich niemals anlügen. Nicht einmal, indem er einfach schweigt.“
„Bist du dir da sicher?“
„Absolut!“
Plötzlich verstand Brand, dass es gar nicht um Harry ging, sondern um ihre eigenen, unausgesprochenen Probleme. Dennoch stellte er sich
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