Küss mich, wenn Du kannst
Konzentration auf ihren Job die Fantasiebilder von Heath und Keri im Bett nicht vollends verdrängen. Doch sie tat ihr Bestes. Die Neuigkeiten von der Affäre der WGN-Moderatorin und dem Chicagoer Agenten für Spitzensportler wurde bereits in den Radio-Talk-Shows durchgehechelt, unter anderem in der beliebten morgendlichen Autofahrersendung, wo die Discjockeys Eric und Kathy eine Hörerumfrage gestartet hatten: »Wie soll das berühmte Baby heißen?«
Es läutete an der Tür. »Ja, ich hab‘s gehört«, murrte Mr. Bronicki in der Küche. »Ich bin ja nicht taub.«
»Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen übers Lächeln gesagt habe«, mahnte Annabelle, als er an ihr vorbeischlurfte.
»Seit ich meine Seele verloren habe, kann ich nicht mehr lächeln.«
»Wie komisch Sie sind, Mr. Bronicki.«
»Etwas mehr Respekt, junge Dame.«
Weil Annabelle Kontaktschwierigkeiten unter ihren Gästen befürchtete, hatte sie Janine um Hilfe gebeten. Ihre Freundin traf zuerst ein, gefolgt von Ernie Marks und Melanie Richter. Eine Stunde später herrschte dichtes Gedränge in den kleinen ebenerdigen Räumen. Celeste, die Betriebswirtschaftsprofessorin von der University of Chicago, unterhielt sich sehr lange mit Shirley Millers Patensohn Jerry. Auch Ernie Marks, der eher ruhige Grundschuldirektor, und Wendy, die lebhafte Architektin aus Roscoe Village, schienen sich auf Anhieb zu verstehen. Die beiden neuen Klienten, die Perfect for You über die Website entdeckt hatten, umschwärmten die stilvolle Melanie. Bedauerlicherweise schien sie sich viel mehr für John Nager zu interessieren. Da sie mit einem Mann verheiratet gewesen war, der desinfizierte Türklinken zum Fetisch erhoben hatte, bezweifelte Annabelle, dass der hypochondrische John zu ihr passen würde. Doch das interessanteste Ereignis des Abends entwickelte sich vollkommen unerwartet. Zu Annabelles Verblüffung fuhr Ray Fiedler sofort auf Janine ab, die gar nicht daran dachte, ihn abzuwimmeln. Wie Annabelle zugeben musste, bewirkte sein Haarschnitt Wunder.
Als sich der letzte Gast verabschiedete, war sie erschöpft aber zufrieden. Jeder hatte gefragt, wann sie die nächste Party geben würde, und ein ganzer Stapel Prospektmaterial war verschwunden. Im Großen und Ganzen war es ein erfolgreicher Abend für ihre Agentur.
In der dritten Woche der aufregenden Beziehung zwischen Heath und Keri hörte Annabelle keine Talk-Shows mehr. Stattdessen kümmerte sie sich um die Kontakte, die ihre Klienten auf der Party geknüpft hatten, versuchte, Melanie ein Date mit John auszureden, und nahm einen neuen Kunden unter Vertrag. Noch nie war sie so beschäftigt gewesen, und sie wünschte nur, sie würde sich glücklicher fühlen.
Kurz vor elf Uhr an einem Dienstagabend läutete es an der Tür. Sie legte das Buch beiseite, das sie gelesen hatte, stieg die Treppe hinab und sah Heath ziemlich zerknittert und reisemüde auf ihrer Veranda stehen. Obwohl sie mehrmals telefoniert hatten, war es das erste Wiedersehen, seit er Keri kannte.
Er musterte ihr locker sitzendes weißes Baumwoll-Tanktop, unter dem sie keinen BH trug, und die blaue Pyjamahose, die mit rosa Martinigläsern bedruckt war, die winzige grüne Oliven enthielten. »Hast du schon geschlafen?«
»Nein, ich habe gelesen. Stimmt was nicht?«
»Alles okay.« Hinter ihm fuhr ein Taxi davon. Seine Lider waren gerötet, Bartstoppeln bedeckten das markante Kinn, was ihn zu Annabelles Leidwesen noch attraktiver machte. »Hast du was zu essen? Im Flieger gab‘s nur Brezeln, sogar in der Business Class.« Ohne auf eine Einladung zu warten, kam er herein und stellte seine Reisetasche und seinen Laptop ab. »Eigentlich wollte ich dich zuerst anrufen. Aber ich bin im Taxi eingeschlafen.«
Für diesen Besuch waren ihre Nerven nicht gerüstet. »Nur ein paar übrig gebliebene Spaghetti.«
»Klingt großartig.«
Weil er völlig erschöpft wirkte, hatte sie nicht das Herz, ihn wegzuschicken. Und so ging sie zur Küche.
»Was Keri und mich angeht, da hattest du völlig Recht«, sagte er hinter ihr.
»Was?«, murmelte sie und stieß gegen den Türpfosten.
Er spähte an ihr vorbei zum Kühlschrank. »Gegen eine Cola hätte ich nichts einzuwenden, falls eine da ist.«
Am liebsten hätte sie ihn am weißen Hemdkragen gepackt und geschüttelt, bis er ihr haargenau erzählen würde, was er meinte. Aber sie beherrschte sich. »Natürlich hatte ich Recht, immerhin bin ich ein Profi.«
Heath lockerte seine Krawatte und knöpfte seinen Kragen
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