Küss mich, wenn Du kannst
auf Colleens pergamentene Wange.
Sie schob ihre schmale Hand in seine große Pranke und inspizierte ihn mürrisch. »Warum habe ich diese geschmacklose Geburtstagskarte von dir bekommen? Die fand ich kein bisschen komisch.«
»Also, ich musste drüber lachen.«
»Hättest du mir lieber Blumen geschickt. So wie alle anderen.«
»Diese Karte gefiel dir viel besser als ein riesiger Rosenstrauß. Gib‘s zu.«
»Gar nichts gebe ich zu.« Colleen kräuselte die Lippen. »Im Gegensatz zu deiner Mutter weigere ich mich, dein miserables Benehmen zu akzeptieren.«
Nun schaute Bodie zu Portia hinüber und erinnerte Colleen an die Etikette. »Oh, Paula - das ist Bodie Gray.«
»Nein, sie heißt Portia«, erklärte er. »Und wir kennen uns bereits.«
»Portia?« Sie legte die Stirn in Falten. »Bist du sicher?«
»Völlig sicher, Tante Cee.«
Tante Cee!
»Portia? Wie shakespearisch...« Colleen tätschelte Bodies Arm und lächelte sie an. »Trotz seiner beängstigenden Erscheinung ist mein Neffe relativ harmlos.«
Kraftlos schwankte Portia auf ihren Bleistiftabsätzen. »Ihr Neffe?«
Bodie griff nach ihrem Ellbogen, um sie zu stützen. Wie tintenschwarze Seide strich seine täuschend sanfte, bedrohliche Stimme über ihr Ohr. »Vielleicht solltest du deinen Kopf zwischen die Knie hängen.«
Und der Wohnwagen, der trunksüchtige Vater? Die Küchenschaben, die Nutten? All die Geschichten hatte er erfunden und die ganze Zeit mit ihr gespielt.
Das ertrug sie nicht. Abrupt kehrte sie ihm den Rücken und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Während sie in den Flur und aus dem Restaurant stürmte, glitten Gesichter an ihr vorbei. Stickig hing die Nachtluft über der Stadt, schwül und schwer von Hitze und Erschöpfung. Portia eilte die Straße hinab, vorbei an geschlossenen Läden, an einer Mauer voller Graffiti. Obwohl das Bucktown Restaurant am Rand des weniger fashionablen Humbolt Park lag, ging sie weiter, ganz egal wohin, nur weg von hier. Ein Bus von der Chicago Transit Authority ratterte dahin, ein Punker mit einem Pitbullterrier an der Leine warf ihr einen anzüglichen, abschätzenden Blick zu. Die ganze Stadt schien sie einzuschließen, heiß und beklemmend, erfüllt von atemberaubenden Gefahren. Zitternd stieg sie von der Bordsteinkante.
»Dein Auto parkt in der anderen Richtung«, sagte Bodie hinter ihr.
»Lass mich in Ruhe, wir haben nichts zu besprechen.«
Er packte ihren Arm und zog sie auf den Gehsteig zurück. »Wie wär‘s mit einer Entschuldigung, nachdem du mich wochenlang wie ein Stück Fleisch behandelt hast?«
»O nein, du wirst den Spieß nicht herumdrehen, du bist es, der gelogen hat. All diese Märchen, die Küchenschaben, der trunksüchtige Vater! Von Anfang an hast du mir was vorgemacht, du bist gar nicht Heaths Bodyguard.«
»Der kann sehr gut auf sich selber aufpassen.«
»Die ganze Zeit hast du dich über mich lustig gemacht.«
»Ja, gewissermaßen. Wenn ich nicht über mich selber gelacht habe.« Er zog sie in den Eingang einer schäbigen Blumenhandlung mit schmutzigem Schaufenster. »Wenn wir beide eine Chance haben sollten, musste ich dir erzählen, was du hören wolltest.«
»Also findest du, eine Beziehung sollte mit einer Lüge beginnen, um zu funktionieren?«
»Zumindest diese Beziehung.«
»Dann war das alles geplant?«
»Mehr oder weniger.« Sein Daumen strich an der Stelle über ihren Arm, die er so unsanft umklammert hatte. Dann ließ er sie los. »Zuerst habe ich dich verarscht, weil du mir auf den Sack gegangen bist. Du warst scharf auf einen Deckhengst, und diese Rolle übernahm ich nur zu gern. Aber nach einer Weile hatte ich es gründlich satt, dein schmutziges kleines Geheimnis zu spielen.«
Portia kniff die Augen zusammen. »Hättest du mir die Wahrheit erzählt, wärst du kein Geheimnis gewesen.«
»Genau. Das hättest du in vollen Zügen genossen. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, wie du mich deinen Freunden präsentiert und lauthals verkündet hättest, meine Mutter und Colleen Corbett seien Schwestern. Irgendwann hättest du herausgefunden, dass die Familie meines Vaters noch respektabler ist. Altes Greenwich. Da hätte dein Glück keine Grenzen gekannt, nicht wahr?«
»Anscheinend hältst du mich für einen grässlichen Snob.«
»Versuch das bloß nicht zu bestreiten. Nie zuvor ist mir jemand begegnet, der solche Angst vor der Meinung anderer Leute hatte wie du.«
»Unsinn, das stimmt nicht. Ich bin meine eigene Herrin. Und ich lasse mich nicht
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