Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
Augen Pfeile auf Leonard ab.
»Ich glaube, du nimmst die Menschen nicht für voll«, fuhr Emma fort.
»Ich denke, diesen Fehler haben die meisten von euch schon immer gemacht. Wenn man die Menschen erst einmal richtig kennenlernt, sind sie gar nicht so übel. Vielleicht ein bisschen begriffsstutzig, aber das ist ja noch lange kein Grund –«
»Ach, was weißt du denn schon darüber?«, versetzte Leonard.
»Bloß, weil eure Leute ein paar Jahrhunderte lang deren Häuser geputzt haben, ohne auf die naheliegende Idee zu kommen, sie einfach im Schlaf umzubringen, heißt das noch lange nicht, dass ihr Experten für ihr Verhalten seid.«
Ein wütender Atemhauch zischte ihm zwischen den Zähnen hindurch, als Quinn im Geiste seine Einschätzung von Leonards Intelligenz noch weiter nach unten korrigierte. Farbige mochten überwiegend als fröhliche, emsige Arbeitsbienen angesehen werden, aber so respektlos durfte man ihnen auch nicht kommen. Es hatte schon seinen Grund, warum die Menschen für sie Milch und Schnaps vor ihre Türen stellten – um sie davon abzuhalten, des Nachts ihre Häuser anzuzünden.
»Wir leben ja wohl nicht mehr im finstersten Mittelalter«, schnappte Emma.
Quinn griff das Stichwort auf.
»Genau. Und angesichts der gegebenen Umstände dürfte es vielleicht an der Zeit sein, sozusagen im Zweifel für den Angeklagten zu sprechen und zu akzeptieren, dass die Menschen möglicherweise für ein paar unbequeme Wahrheiten empfänglich sein könnten.«
»Bockmist.«
Das Wort war Cassidys Mund entfleucht, ehe sie es zurückhalten konnte. Dem Blick ihrer Großmutter nach zu urteilen, wünschte Adele sich, sie könne es an Ort und Stelle zurückschieben – doch ließ sich dieser fromme Wunsch nicht mehr erfüllen, denn alle hatten es natürlich längst gehört. Also blieb Cassidy nun nichts anderes übrig, als dazu zu stehen.
De Santos blickte auch schon in ihre Richtung und zuckte mit einer Augenbraue.
»Wenn ich das richtig verstanden haben, sind Sie mit Mr. Quinns Einschätzung nicht einverstanden, Ms. Poe?«
Cassidy rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her.
»Ja, das könnte man sagen. Aber ich muss mich entschuldigen. Ich bin nur als Besucherin hier, und es steht mir nicht zu, Kommentare abzugeben.«
De Santos lächelte.
»Ganz im Gegenteil, Ms. Poe. Während die Bekanntgabe der Entführung von Ms. Mirenow und die Beteiligung der Licht durch Wahrheit- Sekte uns völlig unvorbereitet getroffen hat, hatte ich, was unsere Besucher betrifft, durchaus schon meine Erwartungen.«
Na schön. Das sagte alles oder nichts.
»Ich fürchte, ich habe nicht ganz verstanden, was Sie meinen, Sir.«
»Ihre Großmutter ist sehr stolz auf Sie, Ms. Poe. Sie hat mich von der bemerkenswerten Reputation in Kenntnis gesetzt, die Sie sich durch Ihr Studium der menschlichen Kulturgeschichte und der interkulturellen Beziehungen erworben haben.«
Cassidy blinzelte. Sie waren an ihr als Anthropologin interessiert?
»Ich schätze, die fachlich fundierte Meinung einer Frau, die ihr Leben und ihren sehr wachen Verstand dem Studium des Wechselspiels der Kulturen untereinander, dessen Entwicklung und der Reaktionen auf etwaige Veränderungen gewidmet hat, könnte sich als ausgesprochen wertvoll für uns erweisen, Ms. Poe. Vor allem, da sie von einer der unsrigen mit einem so breit gefächerten Wissen um die menschliche Kultur stammt.«
Rafael De Santos schenkte ihr ein weiteres Lächeln.
»Außerdem habe ich große Hochachtung vor Ihrer Familie. Mir ist noch nie ein Berry oder ein Poe begegnet, der nicht mit einem scharfen politischen Verstand gesegnet war, und von solchen Zeitgenossen kann es ja gar nicht genug geben, nicht wahr?«
»Bei allem gebotenen Respekt, Sir, aber es spielt wirklich keine Rolle, wie viel ich über die menschliche Kultur weiß oder wie geschickt meine Familie in der Politik ist. Es wird nichts an der Ihnen bekannten Tatsache ändern, dass die Menschen uns nie akzeptieren werden. Wenn wir uns entschleiern, müssen wir auch auf einen Krieg vorbereitet sein.«
»Wir mögen ja selber keine Menschen sein, aber ganz so unähnlich sind wir ihnen denn doch nicht«, warf der irische Wolf ein.
Sein verflixter Akzent trug nur dazu bei, dass Cassidy seiner Argumentation nicht so leicht folgen konnte.
»Wenn wir dies mit Bedacht angehen, uns zur rechten Zeit und am rechten Ort offenbaren, dann, so glaubt der Europäische Rat, haben wir eine gute Chance, in Frieden und Harmonie mit den Menschen zu
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