Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
leben. Und falls wir das je vorhaben, sollten wir unverzüglich damit anfangen, diesen Plan in die Tat umzusetzen.«
»So eine Behauptung ist nichts als Humbug, und das wissen Sie ganz genau.«
Adele antwortete für Cassidy, denn ihr entging nicht, dass ihre Enkelin voll und ganz damit beschäftigt zu sein schien, mit ihrem Willen zu erzwingen, dass sich unter ihrem Stuhl ein Loch im Boden auftat und sie verschluckte.
»Die Menschheit hatte Hunderte von Jahren Zeit, um über ihre Angst vor uns hinwegzukommen, jene Urangst, die uns überhaupt erst ins Verborgene getrieben hat, und doch bleibt sie überzeugt davon, wir wären von Gott verfluchte Scheusale. Gehen Sie denn nie ins Kino?«
»Ich bitte um Verzeihung, Ma’am, aber ich glaube nicht, dass Filme oder Fantasiegeschichten uns Aufschluss über die Vielschichtigkeit der gesamten menschlichen Rasse vermitteln können«, wandte Quinn ein.
»Es sind auch schon Romane geschrieben worden, in denen unsereins als anerkanntes Mitglied der Gesellschaft vorkommt.«
Cassidy gab ihre Zurückhaltung auf, nahm ihren Mut zusammen und blickte unverwandt in das sinnliche Gesicht des Wolfes.
»Mr. Quinn, es wäre unverantwortlich, irgendwelche beliebigen Romanwerke als Grundlage für eine Entscheidung von derartiger Tragweite heranzuziehen. Im Großen und Ganzen glauben die Menschen die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion recht genau abgesteckt zu haben. Sie mögen zwar den Unterhaltungswert Letzterer genießen, wollen sie aber nicht zu einem Teil ihres täglichen Lebens werden lassen – ebenso wenig, wie sie uns als einen Teil ihres Universums anerkennen wollen.«
»Sie haben natürlich das Recht auf ihre eigene Meinung, Miss Poe, dennoch halte ich es für unklug, die Augen davor zu ver-«
»Und ich stehe fest zu dem, was ich sage, denn ich weiß genau, wovon ich rede.«
Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf und merkte, wie ihre Nervosität nachließ – an ihre Stelle trat die Zuversicht, dass sie auf eine professionelle Basis bauen konnte.
»Ich bin Kulturanthropologin. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir damit, dass ich Gruppen von Menschen beobachte, sehe, was in ihnen vorgeht, was sie verbindet und was sie trennt. Und ich kann Ihnen mit Nachdruck bestätigen, dass es eine Menge mehr gibt, was uns von den Menschen trennt, als was uns mit ihnen verbindet.«
»Könnte es sein, dass Sie das Problem übertreiben, Mademoiselle?«
Cassidy spürte Mireille Chaleurs Blick im Nacken; als sie sich zu ihr umdrehte, sah sie in die unergründlichen dunklen Augen in dem unbewegten, unnahbaren Gesicht der Französin.
»Wir haben Seite an Seite mit den Menschen gelebt, seit sie aus ihren Höhlen gekrochen gekommen sind. Sie haben die Erde so viele Jahrhunderte lang beherrscht, dass ich die genaue Zahl gar nicht wissen möchte, und das hat zu der unerfreulichen Konsequenz geführt, dass unsereins versucht, ihre Gesellschaftsform nachzuleben. Wir sind ihnen auf vielerlei Weise ähnlich geworden.«
»Bis sie irgendwie komisch werden und sich in etwas verbeißen, was zurückschnappen kann, bleibe ich lieber bei meiner Behauptung.«
Mireille zog die Augen zu Schlitzen zusammen und öffnete den Mund, doch De Santos kam ihr zuvor.
»Ihre Expertenkenntnisse auf diesem Gebiet sind es, weswegen wir Ihre Frau Großmutter gebeten haben, Sie zu dieser Sitzung mitzubringen, Ms. Poe. Ich wäre sehr daran interessiert zu erfahren, warum Sie den Gedanken, uns zu entschleiern, so unvernünftig finden.«
»Wir brauchen uns von ihr nicht ihre Gründe erläutern zu lassen, De Santos. Wir haben unsere eigenen«, warf Leonard ein.
Cassidy hätte am liebsten das Gesicht verzogen. Sie war nicht gerade ein Fan von diesem Francis Leonard, aber das schien auf den Ratsvorsitzenden ja nicht minder zuzutreffen. Gerüchten zufolge hegten die Vampire immer noch einen Groll, weil sie den Vorsitz an De Santos verloren hatten. Es wärmte jedoch ihr Herz, dass jemand in so fortgeschrittenem Alter noch so kindisch sein konnte.
Unter schlurfenden Geräuschen erhob sich Leonard.
»Ich habe jetzt genug davon. Dieses Hin und Her ist lächerlich und führt zu nichts. Ich fühle mich persönlich beleidigt, dass unsere Brüder aus Europa überhaupt auf den Gedanken gekommen sind, uns in eine so groteske Debatte zu verwickeln. Falls es stimmt, dass von dieser Gruppe Menschen eine Bedrohung ausgeht, sollten wir uns darum kümmern und die Sache dann ad acta legen.«
»Uns darum kümmern?«, fragte Quinn.
Cassidy
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