Küss mich wie damals
vielleicht das Aufbrechen alter Gefühle, fand jedoch, es sei dumm, solchen Gedanken nachzuhängen, und wandte die Aufmerksamkeit ihrem Begleiter zu.
„Was haben Sie damit gemeint, es sei viel Wasser die Themse hinabgeflossen?“
„Ach, spielen Sie nicht die Ahnungslose, Fanny. Ich weiß sehr gut, dass man eine Saison lang geglaubt hat, der heutige Duke of Loscoe werde sich Ihnen erklären.“
„Ach ja?“, äußerte sie etwas verstimmt. „Manchmal irren sich die Leute.“
„Ja, aber ich frage mich, wie enttäuscht Sie damals gewesen sind.“
„Ich war überhaupt nicht enttäuscht“, log sie, „weil ich wusste, dass er und ich nicht zusammenpassen.“
„Aha! Und daher haben Sie Corringham geheiratet.“
„Ja, ich mochte ihn sehr gern, Sir Percy. Doch genug davon. Die Sache ist nicht mehr von Bedeutung.“
„Ich bitte um Entschuldigung. Ich werde nicht wieder darauf zu sprechen kommen, falls Sie das Thema nicht anschneiden.“
„Ich bin Ihnen sehr verbunden. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie, sollten Sie jemanden darüber reden hören, es sei viel Wasser die Themse hinabgeflossen oder etwas in der Art, diese Leute dann über den wahren Sachverhalt aufklärten.“
„Ja, gewiss. Ich bezweifele indes, dass man heute noch über diese Angelegenheit reden wird, denn das ist doch alles sehr lange her. Reiten wir nach Hause, oder lassen wir die Pferde sich auslaufen?“
„Ein Galopp wäre mir recht“,antwortete Frances lachend.
An sich schickte es sich nicht für eine Dame, im Galopp zu reiten, aber sie hatte nie Rücksicht auf gesellschaftliche Regeln genommen. Und da sie sehr beliebt und außerdem viel zu alt war, um noch auf dem Heiratsmarkt eine Rolle zu spielen, nahm niemand von ihr Notiz, als sie mit Sir Percival quer über die Wiese zur Mitte des Hyde Parks galoppierte.
Eine halbe Stunde später kehrte man nach Hause zurück. Frances fühlte sich wohl und hatte alles verdrängt, wodurch sie nachts beunruhigt worden war.
Am Nachmittag nahm sie, um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, ihr Skizzenbuch und ihre Malutensilien und ließ sich von Harker zum East End kutschieren. Dort stellte sie die Staffelei auf einem Kai auf und zeichnete einen Teeschoner, der entladen wurde. Die Takelage stellte eine Herausforderung für sie dar, auf die sie sich sehr konzentrieren musste, bis es an der Zeit war, nach Hause zurückzukehren. Sie hatte nicht mehr an Marcus gedacht und wurde erst wieder am nächsten Nachmittag an ihn erinnert.
Sie hatte das Porträt zu Lady Willoughby gebracht und schaute beim Aufhängen des Gemäldes im großen Salon zu. Ihre Ladyschaft war unschlüssig, wo es am besten zur Geltung kam.
„Vielleicht würde es in einem anderen Raum mehr wirken“, meinte Frances.
„O nein!“, widersprach Ihre Ladyschaft. „Es soll hier hängen. Ich möchte, dass jeder meiner Besucher es sieht. Vielleicht sollte ich den Spiegel da abnehmen und es dort anbringen lassen.“
„Die aus dem Kamin dringende Hitze würde die Farben rissig machen“, wandte Frances ein.
Lord Willoughby betrat den Salon und strich sich, nachdem man ihn um seine Meinung gebeten hatte, nachdenklich über das Kinn. Dann zeigte er zu einer leeren Stelle vor der linken Wand, weit vom Kamin entfernt, und sagte: „Stellt das Bild auf der Staffelei dort hin.“
„Es soll nicht aufgehängt werden?“, wunderte sich Ihre Ladyschaft. „Wird es dann nicht so aussehen, als sei es noch nicht vollendet?“
„Nein, warum?“ Lord Willoughby lachte. „Du kannst es ganz nach Gutdünken immer wieder an einem anderen Platz aufstellen. Vielleicht kreierst du dann sogar eine neue Mode.“
Entzückt klatschte Ihre Ladyschaft in die Hände. „Ich werde deinen Rat befolgen. Meine liebe Lady Corringham“, fügte sie hinzu, „darf ich mir Ihre Staffelei ausleihen, bis ich mir eine besorgt habe?“
„Oh, Sie müssen sie sich nicht ausleihen“, antwortete Frances und dachte an das hohe Honorar, das sie zuvor bekommen hatte. „Ich schenke sie Ihnen mit dem größten Vergnügen.“
„Ich werde das Bild verhängen, bis alle Leute hier sind“, äußerte Lady Willoughby glücklich. „Dann kann ich es wirkungsvoll enthüllen. Es ist ausgezeichnet und wird Sie noch berühmter machen, meine liebe Lady Corringham. Mir ist es ein Rätsel, wie Sie es schaffen, so lebensecht zu malen. Ich konnte nie gut zeichnen.“
Frances unterdrückte ein Schmunzeln. Das Bild stellte zweifellos Lady Willoughby dar, aber eine viel schlankere
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