Küss mich wie damals
lassen, Euer Gnaden?“, wollte Ihre Ladyschaft wissen.
„Ja, aber das ist Jahre her“, antwortete er leichthin. „Modell zu sitzen kann sehr langweilig sein, und ich habe nicht die Zeit dafür.“
„Nun, da Sie jetzt in der Stadt sind, werden Sie gewiss etwas Muße haben. Ich kann Ihnen Lady Frances sehr empfehlen.“
„Oh, bitte, Madam!“, warf Frances ein. „Sie bringen mich in Verlegenheit.“
„Ach, zieren Sie sich nicht, meine Teure. Und nun werde ich Sie zu den anderen Gästen entführen, Euer Gnaden. Meine Tochter brennt darauf, Lady Lavinias Bekanntschaft zu machen.“
Der Duke of Loscoe verneigte sich vor Frances. „Ihr untertänigster Diener, Madam.“ Und dann entfernte er sich, gefolgt von seiner Tochter.
Frances schaute ihm hinterher, doch ihre Aufmerksamkeit wurde schnell von anderen Gästen, die bei ihr ein Porträt in Auftrag geben wollten, in Anspruch genommen. Sie wurde eine Weile aufgehalten, vereinbarte Termine mit den jeweiligen Herrschaften und bekam daher nicht mit, dass der Herzog und seine Tochter gingen. Einige Minuten später verabschiedete sie sich.
Geschäftlich war der Nachmittag ein großer Erfolg für sie gewesen. Irritiert überlegte sie jedoch, warum Lady Willoughby sie so warm empfohlen hatte. Vielleicht glaubte Ihre Ladyschaft, sie sei auf die Honorare angewiesen. Falls die Vermutung zutraf, hatte Ihre Ladyschaft recht.
Abends besuchte Frances ein Wohltätigkeitskonzert und sah in der Pause überrascht, dass auch der Duke of Loscoe anwesend war. Er unterhielt sich angeregt mit einer anderen Besucherin. Unwillkürlich überlegte sie, ob er wirklich aus Interesse an der Musik gekommen war oder nur, weil er eine Gattin suchte. Andererseits waren die anwesenden Damen entweder verheiratet oder zu alt oder nicht standesgemäß. Er würde gewiss keine weitere Mesalliance eingehen, nachdem er bereits vor siebzehn Jahren weit unter seinem Stand geheiratet hatte.
Es dauerte ein Weilchen, bis er Frances bemerkte. Dann zog er erstaunt die Augenbrauen hoch, ganz so, als habe er nicht damit gerechnet, sie hier zu sehen. Er entschuldigte sich bei der älteren Dame und kam auf Frances zu.
„Ich habe nicht erwartet, Sie so schnell wiederzusehen, Madam.“
„Das trifft auch auf mich zu. Ich hätte nicht gedacht, ein solcher Anlass könne Sie interessieren.“
„Wieso nicht?“, fragte Marcus scharf. „Das Los von Kriegswaisen, für deren Unterhalt dieses Konzert veranstaltet wird, geht uns alle etwas an. Dieser Meinung müssen auch Sie sein, denn sonst wären Sie nicht hier.“
„Sie haben recht.“
„Dann teilen wir ein gemeinsames Interesse.“
Frances enthielt sich einer Erwiderung. Fragend schaute Marcus sie an. „Finden Sie das inakzeptabel?“, erkundigte er sich leise.
„Was meinen Sie?“
„Ich bezog mich darauf, dass Sie und ich Interesse an Kriegswaisen nehmen und das Bedürfnis haben, deren Dasein zu verbessern.“
„Nein, das finde ich ganz und gar nicht inakzeptabel“, erwiderte sie und ärgerte sich, weil ihr Herz plötzlich schneller schlug. Sie fand, sie reagiere wie ein naives junges Mädchen, und dabei würde sie in wenigen Wochen ihren fünfunddreißigsten Geburtstag begehen. „Je mehr Hilfe die Kinder haben, desto besser. Einigen geht es wirklich sehr schlecht.“
„Gut. Es wäre mir unangenehm gewesen, glauben zu müssen, meine Anwesenheit könne Sie von Ihrer Wohltätigkeitsarbeit abhalten.“
„Warum in aller Welt sollte das der Fall sein?“, fragte Frances verdutzt. „Sie sind unerträglich eingebildet, Euer Gnaden, wenn Sie glauben, Ihre Anwesenheit könne mich irgendwie beeinflussen.“
„Dann bitte ich um Entschuldigung.“
Ehe Frances etwas äußern konnte, hatte die Gastgeberin sich hinzugesellt. „Wie ich sehe, haben Sie schon Bekanntschaft geschlossen“, bemerkte Mrs. Butterworth.
„Oh, wir kennen uns seit Langem“, erwiderte der Duke. „Allerdings haben wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen und soeben über alte Zeiten geplaudert.“
„Wie nett! Sie müssen sehr zufrieden sein, Mylady, dass Seine Gnaden sich unserem Komitee angeschlossen hat. Sein Name wird andere Leute dazu ermutigen, sich ebenfalls an unserer Arbeit zu beteiligen.“
„Davon bin ich überzeugt“, murmelte Frances.
„Wir suchen nach einem Anwesen, wo wir die Kinder vorübergehend unterbringen können, bis wir eine endgültige Unterkunft für sie gefunden haben“, erklärte Mrs. Butterworth. Prüfend schaute Frances Marcus an, fand jedoch
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