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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Schwein, Schwein muss sehr sorgfältig zubereitet werden, sonst kann man’s nicht essen.»
    «Heureka!», rief Lexington. «Ich wette, genauso war es! Sie hat es falsch gemacht!» Er drückte dem Mann einen zweiten Hundertdollarschein in die Hand. «Führen Sie mich in die Küche», bat er, «und stellen Sie mich dem Genie vor, das dieses Gericht zubereitet hat.»
    Sofort wurde Lexington in die Küche geleitet, wo er den Koch kennenlernte, einen älteren Mann mit einem Hautausschlag auf einer Seite des Halses.
    «Sie müssen aber noch einen Hunderter herausrücken», bemerkte der Kellner.
    Lexington tat das mit größter Bereitwilligkeit, doch diesmal gab er das Geld dem Koch. «Hören Sie», sagte er, «ich muss gestehen, dass ich von dem, was mir der Kellner erzählt hat, ganz verwirrt bin. Sind Sie wirklich sicher, dass jenes köstliche Gericht, das ich soeben verzehrt habe, aus Schweinefleisch gemacht war?»
    Der Koch hob die rechte Hand und kratzte sich an seinem Ausschlag.
    «Nun», antwortete er und blinzelte dabei dem Kellner listig zu, «ich kann nur so viel sagen, dass ich glaube , es war Schweinefleisch.»
    «Sie meinen, Sie wissen es nicht genau?»
    «Genau weiß man so etwas nie.»
    «Was könnte es denn sonst gewesen sein?», fragte Lexington interessiert.
    «Hm …» Der Koch sprach sehr langsam und blickte den Kellner unverwandt an. «Sehen Sie, es besteht immerhin die Möglichkeit, dass es ein Stück Mensch war.»
    «Von einem Mann?»
    «Ja.»
    «Du lieber Himmel.»
    «Vielleicht auch von einer Frau. Der Geschmack ist in beiden Fällen der Gleiche.»
    «Nun, das ist wirklich überraschend», meinte der Jüngling. «Man lernt nie aus.»
    «Ja, das stimmt.»
    «Erst kürzlich haben uns die Metzger große Mengen davon statt Schweinefleisch geliefert», sagte der Koch.
    «Tatsächlich?»
    «Das Schlimme ist, dass man nie weiß, welches welches ist. Gut ist beides.»
    «Das Stück, das ich hatte, war einfach herrlich.»
    «Freut mich, dass es Ihnen geschmeckt hat», erwiderte der Koch. «Aber um ehrlich zu sein, ich denke, es war vom Schwein. Ich bin sogar ziemlich sicher.»
    «Ja?» – «Ja, wirklich.»
    «Dann wollen wir also annehmen, dass Sie recht haben», sagte Lexington. «Würden Sie mir jetzt wohl erzählen – und hier sind nochmals hundert Dollar für Ihre Mühe –, würden Sie mir, bitte, genau erzählen, wie Sie es zubereitet haben?»
    Nachdem der Koch das Geld eingesteckt hatte, erging er sich in einer anschaulichen Beschreibung, wie man ein Schweineschnitzel klopft, paniert und brät, während sich der Jüngling, um kein Wort von diesem großartigen Rezept zu verlieren, an den Küchentisch setzte und jede Einzelheit in seinem Notizbuch festhielt.
    «Ist das alles?», fragte er, als der Koch seinen Vortrag beendet hatte.
    «Das ist alles.»
    «Aber gewiss gehört doch noch mehr dazu?»
    «Vor allem brauchen Sie natürlich ein gutes Stück Fleisch», belehrte ihn der Koch. «Dann haben Sie schon halb gewonnen. Das Schwein muss erstens gesund und zweitens vorschriftsmäßig geschlachtet sein, sonst schmeckt es scheußlich, ganz gleich, wie Sie es zubereiten.»
    «Machen Sie es mir vor», bat Lexington. «Schlachten Sie eins, damit ich es lerne.»
    «In der Küche schlachten wir keine Schweine», erklärte der Koch. «Das Fleisch, von dem Sie gegessen haben, stammt aus dem Schlachthaus.»
    «Dann geben Sie mir die Adresse.»
    Der Koch gab sie ihm. Unser Held dankte den beiden vielmals für ihre Freundlichkeit, lief hinaus, sprang in ein Taxi und fuhr zum Schlachthaus.

VIII
    Das Schlachthaus war ein großes vierstöckiges Backsteingebäude, dem ein eigenartiger Geruch entströmte, süßlich und schwer wie Moschus. Am Haupteingang hing ein Schild mit der Aufschrift: Besichtigung jederzeit. Dadurch ermutigt, ging Lexington hinein und gelangte auf einen Hof mit Kopfsteinpflaster, der das Haus umgab. Er folgte einer Reihe von Wegweisern ( Zu den Führungen ) und kam schließlich zu einer vom Hauptgebäude getrennten Wellblechbude ( Warteraum für Besucher ). Nach höflichem Anklopfen trat er ein.
    In dem Raum befanden sich bereits sechs Personen: eine dicke Mutter mit zwei kleinen Jungen von etwa neun und elf Jahren; ein junges Paar mit strahlenden Augen – die beiden schienen noch in den Flitterwochen zu sein – und eine blasse Frau, die lange weiße Handschuhe trug, sehr aufrecht saß, starr vor sich hin blickte und die Hände im Schoß gefaltet hatte. Niemand sprach. Lexington überlegte,

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