Küsse, die "Verzeih mir" sagen
Stimme.
„Ist etwas passiert?“
„Das ist eine lange Geschichte. Ich rufe vor allem an, um zu fragen, ob Vance da ist.“
„Nein, er hat heute Nachtdienst.“
„Könntest du mir einen Gefallen tun und herausfinden, ob es einen Notfall gab? Chase war heute mit uns und meinen Eltern zum Essen, musste die Lodge aber nach einem Anruf ziemlich plötzlich verlassen. Es hat Roberta ziemlich aufgeregt. Offenbar macht sie sich große Sorgen wegen der ganzen Situation. Ich muss unbedingt unter vier Augen mit ihm reden. Und da meine Eltern über Nacht bleiben, wäre das eine gute Gelegenheit dafür.“
„Okay, ich rufe sofort Vance an und melde mich dann wieder bei dir.“
„Ich danke dir.“
Annie legte auf und blieb sitzen. Auf keinen Fall würde sie ins Haus gehen, bevor sie nicht etwas hatte, womit sie Roberta beruhigen konnte. Doch es vergingen mehrere Minuten. Sie wollte gerade aussteigen, als Rachel zurückrief.
„Vance sagt, es gab einen kleinen Felssturz im Curry Village. Nichts Ernstes. Niemand wurde verletzt, aber er wollte Chase gern bei sich haben, um die Leute zu beruhigen, während er die Stelle absichert. Er meinte, in ein, zwei Stunden wären sie zurück.“
Annie atmete auf. Dann würde sie heute noch mit ihm sprechen können. „Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert.“
„Ja. Vance meinte, du sollst Roberta erklären, dass diese Felsstürze hier ziemlich oft vorkommen, weil die Berge so steil sind.“
„Danke, das sage ich ihr.“
Sie verabschiedete sich und eilte ins Haus. Roberta hatte ihre Eltern überredet, heute Nacht bei ihnen zu schlafen statt im Hotel, und sie hatten im Esszimmer das Monopolybrett aufgebaut und wollten gerade anfangen.
Annie setzte sich zu ihnen. „Ich habe gerade mit Rachel telefoniert. Deinem Dad geht es gut. Es gab nur einen Felssturz, aber das ist hier nichts Ungewöhnliches.“
Während sie erzählte, was sie wusste, schien sich Roberta etwas zu entspannen, doch auch ihren Eltern fiel auf, dass sie sich anders als sonst verhielt.
Als sie das Spiel beendet hatten, war es schon fast elf.
„Zeit fürs Bett, würde ich sagen“, erklärte Annies Vater.
„Roberta, du musst auch schrecklich müde sein. Schließlich hast du heute schon einen langen Ausritt gemacht.“
„Daddy sagt, ich bin eine gute Reiterin!“
„Ja, das hast du von ihm.“
Wieder füllten sich Robertas Augen mit Tränen. „Ich bin so froh, dass er nicht gestorben ist!“
Sie legte den Deckel auf die Spielschachtel und drückte sie an ihre Brust. „Gute Nacht.“
„Bekomme ich keinen Kuss?“
Doch es wurde mehr ein Luftkuss. Aus irgendeinem Grund war Roberta immer noch unversöhnlich.
Annies Vater ging mit Roberta nach draußen, ihre Mutter blieb im Esszimmer und blickte Annie besorgt an. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“
„Seid nur weiter für mich da.“
„Das sind wir immer, Liebes, das weißt du doch.“
„Ja. Dabei habe ich das gar nicht verdient.“
„Wovon um alles in der Welt redest du?“
Annie schüttelte den Kopf. „Ich liebe Roberta über alles, aber es war ein großer Fehler, mit Chase zu schlafen. Ihr habt mir andere Werte beigebracht. Ich war so verliebt in ihn, ich habe mich ganz meinen Gefühlen hingegeben und jede Vernunft in den Wind geschlagen. Und jetzt bezahle ich den Preis dafür …“
„Wieso?“
„Das weißt du ganz genau.“
„Du meinst, weil du ihn immer noch liebst?“
Annie seufzte. „Merkt man das so deutlich?“
„Ja, aber nur, weil ich deine Mutter bin. Falls dir das hilft, mir blieb heute selbst die Luft weg, als ich ihn ins Restaurant kommen sah. Du hättest aus Stein sein müssen, um ihm zu widerstehen. Er ist tatsächlich so, wie du ihn beschrieben hast, aber er hat auch eine dunkle Seite.“
„Wie meinst du das?“
„Er ist durch die Hölle gegangen, vergiss das nicht. Das kannst du in seinen Augen sehen. Seine Liebe für Roberta grenzt an Verzweiflung, und als er dich heute angeschaut hat, bevor er weggehen musste, wirkte es, als hätte er Angst.“
Ja, das hatte Annie auch gesehen, aber offenbar völlig falsch gedeutet. Fürchtete er, sie würde es sich anders überlegen und den Park mit Roberta wieder verlassen? Wenn es um Annie ging, war er sehr zurückhaltend und vorsichtig und ähnelte so gar nicht dem entschlossenen, willensstarken Mann, in den sie sich damals verliebt hatte. Damals hatte er der Gefahr ins Gesicht gelacht. Und seine Verwegenheit hatte sie angezogen.
Doch zwischen theoretischer
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