Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
geparkt war. Sie stand direkt vor einem alten Holzzaun, nahe genug, um den feindseligen Ausdruck zu erkennen, der auf einmal in diesen unglaublich blauen Augen lag. Sie hatte geglaubt, die Menschen seien freundlich hier. Offensichtlich ein Irrtum.
Er sagte kein Wort. Hatte er ihr Italienisch nicht verstanden? Oder wurde das Weingut hier anders genannt? „Die Azienda Agricola Spendora?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Sie sind sicher die Amerikanerin, die gestern angekommen ist“, antwortete er in einem nahezu perfekten Englisch. Seine tiefe Stimme, die die Spur eines verführerischen Akzents trug, war klangvoll und tief. Ein einfacher Arbeiter war er schon mal nicht.
Dass sie die Luft angehalten hatte, merkte Isabel erst, als sie langsam und beinahe hörbar ausatmete. „Wie haben Sie das nur erraten?“, sagte sie leichthin. „Ich vermute, mein Italienisch ist noch verbesserungswürdig.“
Er zuckte mit den Schultern, als sei es ihm tatsächlich völlig egal, ob sie nun ein Wesen aus einem fremden Universum war oder ein grammatikalisch fehlerfreies Italienisch sprach. „Was kann ich für Sie tun, Miss?“ Die Frage war höflich, sein Ton aber kühl, mit einem fast feindseligen Anklang.
Auch gut. Sie musste nicht mit jedem Arbeiter Freundschaft schließen, dem sie hier begegnete. Obwohl er fließend Englisch sprach, war er wahrscheinlich überarbeitet und unterbezahlt, dazu müde und durstig. Vielleicht konnte sie ihn abwerben, auch wenn er bereits irgendwo anders unterschrieben hatte. Einen guten Arbeiter, der zudem Englisch sprach, würde sie brauchen können.
„Mein Name ist Isabel Morrison, und ich suche mein Weingut, die Azienda Spendora.“ Sie konnte sich eines kleinen Anflugs von Stolz nicht erwehren, der sich in ihre Stimme eingeschlichen hatte. Mein Weingut klang einfach gut.
„Ich fahre Sie hin. Allein werden Sie es niemals finden“, sagte er. Bevor sie protestieren konnte, griff er nach einem Hemd, das an einem Ast gehangen hatte, und zog es über. Wie oft hatte man ihr eingebleut, nie, niemals zu einem Fremden ins Auto zu steigen? Und dieser Mann hier gehörte zu der Sorte von Fremden, die die Warnlampen bei ihr aufleuchten ließen. Sprachlich zu gewandt, viel zu selbstsicher und allzu beflissen, sie Gott weiß wohin zu chauffieren.
„Danke, wirklich freundlich, aber ich finde es schon selbst. Ich habe eine Straßenkarte“, sagte sie und hasste die leichte Nervosität, die ihrer Stimme anzuhören war.
„Haben Sie Angst vor mir?“, fragte er, und seine ganze Erscheinung – die Größe von über einem Meter achtzig, die breiten Schultern, die blauen Augen – schien sie herauszufordern: Gib deine Angst zu oder vergiss sie.
„Nein“, antwortete sie ein wenig zu schnell, während eine innere Stimme ihr zuflüsterte: nun, vielleicht ein bisschen.
„Ich bin Dario Montessori, und ich lebe hier ganz in der Nähe. Um genau zu sein, dies sind meine Weinberge.“ Er deutete mit dem Arm auf die Felder und Rebstöcke hinter sich.
„Im Umkreis von einigen Meilen kenne ich hier jeden, und jeder kennt mich. Kommen Sie. Vielleicht kann ich Sie mit ein paar Nachbarn bekannt machen.“
„Jetzt?“
„Warum nicht? Nessun tempo gradisce il presente , wie wir in Italien sagen. Warten Sie hier. Ich hole mein Auto, und dann können wir los.“
Das war ein Befehl und Widerspruch nicht geduldet. Davon abgesehen wollte sie tatsächlich ihre neuen Nachbarn kennenlernen. Es wäre dumm, diese Gelegenheit nicht zu ergreifen. Schließlich war es ihr ein Anliegen, sich in das dörfliche Leben zu integrieren. Da konnte es nichts Besseres geben als eine kleine Rundtour mit einem Einheimischen. Also wartete sie einige Minuten, bis er um den Hügel herum in einem rot-schwarzen Kabrio mit Ledersitzen vorfuhr. Einhunderttausend Jahresgehalt waren für diesen Wagen schon nötig. Wer war dieser Mann wirklich? Warum machte er sich diese Umstände?
„Falls Sie vorhaben, mich zu kidnappen“, warnte sie ihn ganz tapfer, nachdem sie eingestiegen waren, „vergessen Sie es, denn ich habe keine reichen Verwandten, die Lösegeld zahlen könnten.“
Er warf einen Blick in ihre Richtung, der eindeutig besagte, dass das eben das Absurdeste war, was er je gehört hatte. „Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, und ich glaube nicht, dass es hier in der Gegend in den letzten hundert Jahren eine Entführung gegeben hat. Entspannen Sie sich. Und was die Aziendia angeht, kann ich Sie nur vorwarnen. Ich glaube, wenn Sie
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