Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
festhalten.
Sie gingen einen Flur entlang und traten durch eine Hintertür hinaus in den Garten. Hier befand sich der Teich, auf dem Wasserrosen blühten. Isabel beugte sich hinunter und tauchte ihren Arm in das kühle Wasser ein.
„Zur Bewässerung“, sagte er.
„Oder zum Schwimmen.“ Sie sah Gartenmöbel vor sich, ein gestreiftes Sonnensegel und sich selbst, wie sie an einem heißen Sommertag ein erfrischendes Bad in ihrem eigenen Teich nahm.
Er lehnte sich an die Hausmauer und beobachtete sie. War er aufgebracht, weil sie Freude an ihrem eigenen kleinen See hatte? Oder erinnerte er sich einfach nur an Sommernachmittage, an denen er mit seinen Geschwistern hier gebadet hatte, und bedauerte, dass es nie wieder dazu kommen würde? Wenn sie den Ausdruck seiner Augen sah, zweifelte sie daran, ob er überhaupt zu Erinnerungen fähig war. Was trieb diesen Mann um? War es tatsächlich nur ihre Person und der Umstand, dass der Besitz ihr gehörte?
Sein dunkles Haar war zurückgekämmt, Stirn und Jochbein traten wie aus Stein gemeißelt hervor. Auf den ersten Blick mochte er wie ein einfacher Arbeiter gewirkt haben, jetzt, aus der Nähe, sah man ihm den aristokratischen Grundeigentümer an. Ein Mann, der es gewöhnt war, das zu bekommen, was er wollte. Sein Unmut über sie stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Ich würde den Arm aus dem Teich nehmen“, sagte er knapp. „Es sei denn, Sie fürchten sich nicht vor Wasserschlangen.“
Wie der Blitz zog sie ihren Arm aus dem Wasser und trocknete die Hände am Rock ab. Spinnen, Schlangen, was noch?
„Seit Jahren hat sich niemand mehr darum gekümmert. Ihr Onkel …“
„Ja, ja, mein Onkel hat alles vernachlässigt. Ich weiß inzwischen, warum Sie verkaufen mussten, aber warum hat er das Weingut gekauft?“
„Vielleicht dachte er, er könnte Kapital daraus schlagen und ein Vermögen mit Wein machen. Viele Leute haben die Vorstellung, dass es leicht und sehr profitabel ist, Trauben anzubauen und Wein daraus zu keltern.“ Er schaute sie geradewegs an. Es gab keinen Raum für Zweifel, wen er damit meinte. „Das ist eine Illusion. Außenstehende können oft kaum den Unterschied zwischen der Burgunder- und der Grecanico-Traube, die hier seit Jahrhunderten angebaut wird, erkennen. Geschweige denn, dass sie wüssten, wann der richtige Zeitpunkt für die Ernte der Amarado-Traube gekommen ist. Es ist harte Arbeit und erfordert Spezialwissen.“
„Daran zweifle ich nicht, aber …“
„Ich weiß, Sie scheuen harte Arbeit nicht. Glauben Sie mir, es liegt ein Haufen davon vor Ihnen.“
Sie wollte ihm sagen, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie viel dieser Flecken Erde ihr bedeutete, egal, in welchem Zustand. Sie wollte ihn auch fragen, wie und wann denn diese besonderen Dessertweintrauben geerntet werden mussten, aber das würde nur seinen Verdacht bestärken, dass sie genauso war wie ihr Onkel – beide ahnungslose, unverbesserliche Träumer. Vielleicht war sie sogar blauäugiger, als er es gewesen war.
„Beim ersten Frost hat er die Reben erfrieren lassen und kam jammernd und schutzsuchend ins Tal hinunter. Er ging nie mehr wieder zurück.“ Angewidert schüttelte er den Kopf.
„Er war völlig fremd hier. Was haben Sie erwartet?“
„Ich habe erwartet, dass er vor seinem Tod an uns verkauft. Doch er war genauso stur wie Sie. Aber ich will dieses Land zurück. Zurück in die Hände von jemandem, der die Erde liebt, den Boden, das Land, auf dem die Reben gewachsen sind. Ist das so schwer zu verstehen?“
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Ein bisschen Zutrauen könnten Sie in mich setzen. Ich habe nicht das nächste Flugzeug genommen, nachdem ich das Testament gesehen habe. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Ich bin bereit, den Boden ebenso sehr zu schätzen wie irgendjemand anders auch. Selbst so wie Sie. Und ich habe Ihre Verwandten nicht beleidigt. Sie hingegen haben an meinem Onkel kein gutes Haar gelassen.“
„Bitte, nur zu, legen Sie los. Wenn Sie meine Familie kennenlernen, werden Sie sehen, dass mein jüngerer Bruder zum Beispiel völlig unreif ist. Meine Großmutter hoffnungslos altmodisch. Mein Großvater ist stur und eigenwillig, aber er arbeitet hart. Vor vielen Jahren hat er die Weinstöcke hier gepflanzt und gepflegt, er hat eigenhändig die Trauben geerntet und den Wein gekeltert. Und nun sind sie erfroren. Ich trage die Verantwortung für ihren Verlust. Ich schulde es ihm und der
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