Küsse im Mondschein
Ende zu verfolgen.
Amelia sah ihre Zwillingsschwester an. »Was ist mit dir? Wie sieht denn dein Plan aus? Und erzähl mir jetzt nicht, dass du keinen hättest; die Mühe kannst du dir nämlich sparen.«
Amanda grinste. Das war das Beste daran, dass sie Zwillinge waren - sie errieten instinktiv die Gedankengänge der jeweils anderen. »Na schön. Ich habe mich natürlich bereits in der eleganten Gesellschaft umgesehen, und nicht nur unter denjenigen männlichen Wesen, die sich dazu herabgelassen haben, anbetungsvoll zu unseren zierlichen Füßchen niederzuknien. Und dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich, da ich innerhalb unserer gesellschaftlichen Kreise offenbar keinen passenden Gentleman finden kann, dann eben außerhalb danach suchen muss.«
»Wo willst du denn außerhalb unserer Kreise heiratsfähige Gentlemen finden?«
»Wo verbrachten denn zum Beispiel unsere Cousins den Großteil ihrer Abende, bevor sie schließlich heirateten?«
»Sie pflegten einige der Bälle und Abendgesellschaften zu besuchen.«
»Ja, schon, aber denk mal ein bisschen genauer zurück, und dann wirst du dich daran erinnern, dass sie immer nur ziemlich widerwillig zu diesen Veranstaltungen gingen, vielleicht zwei Tänze absolvierten und dann so rasch wie möglich wieder verschwanden. Sie sind dort stets nur deshalb erschienen, weil unsere Tanten so hartnäckig darauf bestanden. Aber nicht alle heiratsfähigen Gentlemen - zumindest nicht die , die wir als passende Partie für uns erachten würden - haben weibliche Verwandte, die sie wenigstens ab und zu mal zu irgendwelchen gesellschaftlichen Veranstaltungen schleifen.«
»Aha, und deshalb...« Amelia heftete ihren Blick wieder auf Amandas Gesicht. »Deshalb wirst du nun also in den privaten Clubs und Spielhöllen nach vorteilhaften Partien suchen. Nach Gentlemen, denen wir bisher noch nicht begegnet sind, weil sie sich nie oder nur höchst selten in unseren Kreisen blicken lassen.«
»Ganz genau - in den Clubs und Kasinos und natürlich auch bei den privaten Abendgesellschaften, die in den Salons gewisser Damen stattfinden.«
»Hmmm... scheint mir ein ziemlich guter Plan zu sein.«
»Ich glaube, er bietet eine ganze Menge Möglichkeiten.« Amanda betrachtete Amelias Gesicht. »Willst du nicht zusammen mit mir suchen? Es gibt doch mit Sicherheit mehr als nur eine begehrte Partie, die sich irgendwo dort draußen im Dunkel des Londoner Nachtlebens verbirgt.«
Amelia erwiderte den forschenden Blick ihrer Zwillingsschwester, dann schaute sie gedankenverloren an ihr vorbei. Amelia dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Wenn ich nicht fest entschlossen wäre... aber das bin ich nun mal.«
Ihre Blicke trafen sich abermals, ihrer beider Gedanken waren in vollkommener Übereinstimmung, dann nickte Amanda. »Es ist für uns nun wohl an der Zeit, getrennte Wege zu gehen.« Sie grinste und machte eine dramatische Handbewegung. »Du musst deinen Weg gehen, um deine Listen aufzustellen und deine Tricks unter dem strahlenden Licht der Kronleuchter anzuwenden …«
»Während du?«
»Während ich mein Schicksal in den Schatten suche.«
Und in dunkle Schatten getauchte Ecken und Winkel gab es wahrlich genügend im Hauptzimmer von Mellors, der neuesten und verrufensten unter den von der Londoner Schickeria frequentierten Spielhöllen. Doch Amanda widerstand dem Drang, sogleich in das trübe Halbdunkel zu spähen, sondern blieb zunächst brav auf der Türschwelle stehen und ließ ihren Blick stattdessen erst einmal mit kühler, nüchtern-sachlicher Gelassenheit über die anwesenden Gäste schweifen.
Während diese wiederum - wenn auch erheblich weniger nüchtern-sachlich - Amanda in Augenschein nahmen.
An vier der sechs runden Tische hatten sich bereits diverse Gentlemen versammelt, Gestalten mit hart blickenden Augen und schweren Lidern, die, ihre Whiskygläser dicht neben sich, Spielkarten in den Händen hielten. Mit unverhohlener Dreistigkeit musterten sie die junge Frau von Kopf bis Fuß, doch Amanda ignorierte ihre Blicke. An einem etwas größeren Tisch wurde gerade eine Partie Pharo gespielt; zwei Frauen schmiegten sich sirenengleich an zwei der Spieler. Der Bankhalter sah Amanda direkt an, erstarrte für einen Moment mitten in der Bewegung, als ob ihm gerade etwas eingefallen wäre, blickte dann wieder auf den Tisch hinunter und drehte die nächste Karte um.
Neben Amanda stand Reggie Carmarthen, Freund aus Kindheitstagen und außerordentlich
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