Küsse im Mondschein
ziemlich durcheinander war.
Er überließ es seinen Stallburschen, sich um die Pferde und die Kutsche zu kümmern, und strebte mit raschen Schritten zum Haus. Geschah Amanda ganz recht, dass sie völlig durcheinander war - man brauchte sich ja nur mal anzusehen, was sie mit ihm gemacht hatte!
Die Seidendecke, die noch immer warm von Amandas Körper war, über einen Arm geworfen, betrat Martin das Haus und marschierte schnurstracks zu seiner Bibliothek. Doch erst als er es sich in ihrem luxuriösen Inneren bequem gemacht hatte, sich auf das Liegesofa hatte fallen lassen, die Seidendecke in einem unordentlichen Knäuel neben sich und in der Hand ein Glas mit Kognak, gestattete er sich, seine Gedanken zurückschweifen zu lassen, die Ereignisse der vergangenen Stunden und der vorhergehenden Abende noch einmal im Geist Revue passieren zu lassen.
Das Feuer im Kamin brannte langsam herunter, während er sich seine ersten Begegnungen mit Amanda ins Gedächtnis zurückrief, um Vergleiche anzustellen und Eindrücke zu analysieren. Zwei Dinge erschienen ihm bereits als sicher: Amanda ging nach einem ganz bestimmten Plan vor. Und er, Martin, war Teil dieses Plans.
Zwei andere Aspekte jedoch blieben im Dunkeln, wollten sich ihm nicht so recht erschließen. Zum einen fragte Martin sich, ob Amanda von Anfang an gewollt hatte, dass er derjenige wäre, der sie auf ihrer Suche nach aufregender Kurzweil und prickelnden Abenteuern begleiten sollte, oder ob sie sich erst später für ihn entschieden hatte, als die beste Wahl, die es für sie gab. Und dies war immerhin ein überaus relevanter und wichtiger Punkt im Hinblick auf jenen anderen, letzten Aspekt ihres Plans, über den er nach wie vor nichts wusste.
Jener letzte Aspekt nämlich behandelte die Frage, worauf Amanda mit alledem eigentlich hinauswollte. Was war ihr Endziel?
Ging es ihr lediglich darum, noch einen letzten kurzen Flirt zu erleben, sich noch ein letztes Mal nach Herzenslust zu amüsieren, bevor sie einen Hausstand gründete und einen hoffähigen Mann aus ihren Kreisen heiratete? Ihre Bemerkung, dass der Beginn der eigentlichen Saison ihren romantischen Abenteuern ein Ende setzen würde, ließ darauf schließen, dass sie sich womöglich tatsächlich nur für eine Weile amüsieren wollte.
Aber was, wenn dem nicht so war? Was, wenn sie hinter ihrer Natürlichkeit und Arglosigkeit, die er ihr mittlerweile sowieso nicht mehr so recht abnahm, darauf konzentriert war, sehr viel mehr zu erreichen?
Was, wenn sie es sich zum Ziel gesetzt hatte zu heiraten - und zwar ihn?
Er runzelte nachdenklich die Stirn, wartete, trank einen Schluck Kognak, kostete den Geschmack noch einen Moment lang aus … Und immer noch wollte sich die Reaktion, die er eigentlich von sich selbst gewohnt war, nicht einstellen. Seine Entschlossenheit, sich von Amanda zurückzuziehen, sie auf Distanz zu halten … wo war seine instinktive, bisher doch stets mit absoluter Zuverlässigkeit eintretende Schutzreaktion geblieben?
»Großer Gott!« Martin nahm einen weiteren kräftigen Schluck Kognak. Genau das war es, was sie ihm angetan hatte. Sie hatte jenen Teil von ihm verlockt, den er eigentlich schon lange tot und begraben geglaubt hatte.
Er scheute sich zwar davor, diesem Gedanken allzu intensiv nachzugehen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er Recht hatte, als er mit einem Mal wieder einen klaren Kopf bekam, sich seine Verwirrung legte und seine wild kreisenden Gedanken endlich zur Ruhe kamen. Er wartete, nippte dabei an seinem Kognak, den Blick auf das mittlerweile fast vollständig erloschene Feuer gerichtet, bis er in der Lage war, sich einigermaßen ruhig und gelassen mit der Frage zu beschäftigen, wo er - sie beide - jetzt standen.
Sie spielten irgendein Spiel. Und die Wahl des Spiels hatte Amanda getroffen. Trotzdem war er mittlerweile zu einem engagierten Mitspieler geworden. Auszusteigen, das Spiel aufzugeben, kam für ihn also nicht mehr in Frage. So viel dazu. Und was das Ziel anbetraf, worauf sie zusteuerten - nun, das kannte er nicht. Er würde eben einfach Amandas Führung folgen müssen. Das gehörte zu dem Spiel eben dazu. Somit war es Amanda gelungen, die Zügel in ihre kleinen Hände zu nehmen, und er sah derzeit auch keine Möglichkeit, sie wieder an sich zu nehmen.
Was bedeutete, dass er von einer Frau vorwärtsgetrieben, herumkommandiert, manipuliert wurde.
Wieder wartete er auf seine unvermeidliche Reaktion, und wieder blieb sie überraschenderweise aus. Zum ersten Mal
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