Küsse im Mondschein
Seitenansicht präsentierte. Beide Profile hatten eine außerordentliche Ähnlichkeit mit einem anderen, das ihr sogar noch vertrauter war.
Sie ließ ihren Blick wieder zu Luc zurückschweifen. Bist du etwa mit Dexter verwandt? Nur ganz knapp gelang es ihr noch, die Worte wieder hinunterzuschlucken, während sie sich schlagartig der unvermeidlichen Reaktion auf ihre Frage bewusst wurde, wäre sie so töricht gewesen, diese laut auszusprechen - Luc würde sich langsam zu ihr umdrehen, sie mit nervenzermürbendem, durchdringendem, scharfem Blick ansehen und leise fragen: Woher kennst du denn Dexter?
Sie konnte ihn also unmöglich nach seiner Verwandtschaft mit Dexter fragen, so viel stand fest, aber nun, da sie genauer darüber nachdachte, fiel ihr wieder ein, dass sie schon einmal von einer Verbindung zwischen den Ashfords und den Fulbridges gehört hatte. Sie betrachtete Luc noch einmal von neuem und sah sich dann wieder Edward an. Verglichen mit Luc gab dieser vom Aussehen her eine etwas weniger anziehende Figur ab. Luc war eine Idee schlanker, eine Idee drahtiger und geschmeidiger als sein jüngerer Bruder und hatte schwarzes Haar und dunkelblaue Augen. Edward mit seinem braunen Haar und den haselnussbraunen Augen wies zwar eine größere Ähnlichkeit mit Dexter auf, doch mit seiner geringschätzigen, wichtigtuerischen Arroganz und jener unterschwelligen Verdrießlichkeit wirkte er irgendwie geringer, weniger bedeutend als..., weniger bedeutend als Dexter und auch als Luc. Was die Gesichtszüge und den Körperbau anging, so waren sie sozusagen alle mit derselben Gussform fabriziert worden, aber in Edwards Fall war etwas schiefgegangen, und es hatten sich Mängel eingeschlichen, die ihn weniger attraktiv machten, sowohl physisch als auch in jeglichem anderen Sinne.
»Und jetzt, meine Lieben, muss ich euch verlassen.« Lucs Stimme riss Amanda aus ihrer Gedankenverlorenheit. »Trotzdem, sobald der erste Tanz beginnt, werde ich wieder zur Stelle sein.«
Er zog spielerisch an einer von Emilys Ringellocken, schenkte Anne ein liebevolles Lächeln, verbeugte sich vor Amelia und dehnte diese kleine Höflichkeit dann mit einer Neigung seines Kopfes auch auf Amanda aus. Dann straffte er die Schultern und blickte seinen Bruder an. »Edward, wenn ich dich mal kurz sprechen könnte...« Elegant mit einem langen, gekrümmten Finger winkend, schlenderte Luc davon und zwang Edward, hinter ihm herzutrotten …
... und seine Schwester endlich von der Last seiner Anwesenheit zu befreien. Im Stillen nickte Amanda beifällig und sah ihre Zustimmung auch prompt in Amelias Augen widergespiegelt. Sie sah sich um. »So, und nun...«
Fünf Minuten später nahm sie den Kreis von Verehrern in Augenschein, die sie und Amelia um Emily und Anne versammelt hatten. Es war ein äußerst erfreulicher Anblick. Ein Anblick, der auf seine ganz eigene Art befriedigend war. Sie fing Amelias Blick auf. »Ich will mich jetzt mal auf die Suche nach Reggie machen. Falls ich nicht hier bin, wenn ihr geht, sagst du dann Mama Bescheid?«
Amelia nickte lächelnd, der Ausdruck in ihren Augen jedoch war ernst. »Pass auf dich auf.«
Amanda schenkte ihrer Schwester ein beruhigendes Lächeln. »Das tue ich doch immer.«
Damit tauchte sie in die Menge ein. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der erste Tanz begann. Reggie würde also hier irgendwo im Saal sein. Zumal Amandas und Amelias Mutter fest mit Reggies Mutter rechnete - und wo Reggies Mutter war, da war auch Reggie -, schließlich hatten er und Amanda keine anders lautenden Verabredungen getroffen.
Amanda hatte genau deshalb nichts mit ihm vereinbart, weil sie sich nicht sicher gewesen war. Nicht in Bezug auf das, was sie wollte - das nämlich war tief in ihr Herz eingebrannt. Nein, ihre Unsicherheit ging auf etwas Nebulöseres zurück. Auf etwas, das mit jenem Kuss im Mondschein zusammenhing - vielleicht hatte die Mühelosigkeit, mit der Dexter sie in das Feuer der Leidenschaft hineingezogen hatte, bewirkt, dass sie sich nach mehr sehnte. Oder war es lediglich irgendeine nachklingende prüde Reaktion? Was auch immer es war, jedenfalls hatte ganz plötzlich und unerwartet die Vorsicht ihre Fratze gezeigt. Eine ganz und gar misstrauische und rein von Amandas Instinkten genährte Art von Vorsicht, wie sie sie noch nie zuvor empfunden hatte. Als würde ihr ihr Unterbewusstsein zuflüstern: Du hast mit dem Feuer gespielt, hast unklugerweise ein wildes Tier gereizt.
Aber Misstrauen, Nervosität und
Weitere Kostenlose Bücher