Küsse im Mondschein
vollkommen allein zu sein, die einzigen Lebewesen in der stillen Landschaft, wurde mit jedem Schritt stärker. Und daraus wiederum erwuchs das Bewusstsein, in völliger Abgeschiedenheit und Einsamkeit zu sein, ein Mann und eine Frau, ganz allein in der Nacht. Es gab weit und breit kein anderes Geschöpf, um ihre Aufmerksamkeit abzulenken oder zu verwirren.
Der Zauber, der in der mondhellen Luft lag, wirkte geradezu berauschend. Als sie sich dem Kieferngehölz näherten, fühlte Amanda sich regelrecht schwindelig. Sie war sich bewusst, dass Dexter sie beobachtete. Welche Gedanken ihm dabei durch den Kopf gingen, vermochte sie jedoch unmöglich zu erraten.
Als was mochte er sie wohl betrachten? Als eine Verpflichtung, als eine junge Dame, die zu beschützen er als seine Pflicht erachtete? Oder als eine junge Frau, mit der Hand in Hand durch den Mondschein zu spazieren ihm das größte Vergnügen bereitete?
Amanda wusste es nicht, aber sie war fest entschlossen, die Antwort herauszufinden.
Die Kiefern standen so dicht beieinander, dass sie ein kleines Wäldchen bildeten, durch das sich ein schmaler Pfad schlängelte. Amanda sah Dexter fragend von der Seite an. »Wollen wir dort reingehen?«
Er erwiderte ihren Blick. »Wenn du möchtest.«
Amanda ging vorweg, schaute sich nach allen Seiten um, als sie sich in den Schatten der Bäume begaben. Der Pfad führte zu einer Lichtung, wo der Interessierte innehalten und die einzelnen Bäume bewundern konnte. Und genau dies tat Amanda dann auch. Die Wipfel der Bäume verdeckten den Mond; die Lichtung war also nur von diffusem Licht erhellt, noch weicher, noch verschwommener, noch weniger greifbar als der klare Mondschein.
Behutsam entzog Amanda Dexter ihre Hand, um die seidene Decke um ihre Schultern zurechtzuziehen. Dann stand sie einen Moment lang still da, den Blick auf die Bäume geheftet, alle ihre Sinne erfüllt von der subtilen Verheißung, dem geheimnisvollen, kaum wahrnehmbaren Raunen, das in der nächtlichen Luft lag. Schließlich wandte sie sich Martin zu. Er löste den Blick von den Bäumen und schaute Amanda an. Sie zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann trat sie einen Schritt näher auf ihn zu. Legte ihm eine Hand auf die Schulter, erhob sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf die seinen.
Er reagierte nicht sofort. Dann jedoch schloss er die Hände um ihre Taille, gab Amanda somit Halt, während er seine Lippen fest auf ihren Mund presste. Er erwiderte Amandas Zärtlichkeit, dann berührte seine Zungenspitze sacht ihre Lippen, und sie öffnete sie bereitwillig. Mit einem raschen Stoß drang er ein.
Ihrer beider Lippen verschmolzen zu einer Einheit, ihre Zungen umschlangen einander, liebkosten einander, machten einander raffinierte Versprechen. Seine Finger auf ihrem Rücken spannten sich an, gruben sich ein wenig tiefer in ihre Haut, so als ob er sie genau dort festhalten wollte, wo sie gerade stand. So als ob er den geringen, aber immer noch sicheren Abstand zwischen ihren beiden Körpern unbedingt wahren wollte - obgleich Amanda sich doch nichts sehnlicher wünschte, als diesen zu verringern und Martin endlich wieder ganz nahe zu sein.
Er beendete den Kuss und hob ein klein wenig den Kopf, schien aber unfähig, sich ganz von ihr zu lösen. Seine Augen blickten forschend in die ihren. »Was suchst du?«
Sie ließ ihre Finger um seinen Nacken gleiten. »Das habe ich dir doch schon gesagt - ich möchte aufregende Dinge erleben. Und du hast mir geantwortet, dass ich sie hier finden könnte.« In deinen Armen . Sie blickte ihn beschwörend an. Wage es ja nicht, so zu tun, als ob du mich nicht verständest!, schienen ihre Augen zu sagen, als sie, den Druck seiner Hände an ihrer Taille einfach ignorierend, so nahe auf ihn zutrat, dass ihr Mantel seinen Überrock streifte. Sie hielt Martins Blick aus dunklen, unergründlichen Augen fest, und betete innerlich darum, dass sie die richtige Nuance traf - einen unverhohlen herausfordernden Ton. »Also, dann zeig es mir.« Ihr Blick fiel auf seine Lippen. »Ich will es wissen - ich will es spüren.«
Abermals stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Und diesmal reagierte er gleich von der ersten Sekunde an. Ihre Lippen verschmolzen miteinander, ihre Zungen tanzten, spielten voller Leidenschaft miteinander… dann gaben seine harten, muskulösen Arme ganz plötzlich nach, lösten ihren Griff, so als ob es Amanda endlich gelungen wäre, ihn dazu zu bewegen, ihr in seinem
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