Küsse im Morgenlicht
würde.
Der Pfad, auf dem er Amelia um den See folgte, war kontinuierlich angestiegen und führte Luc schließlich auf eine hoch über dem Wasser gelegene Lichtung. Amelia saß auf einer Bank, von der aus sie sowohl das in weiter Ferne liegende Herrenhaus sehen konnte als auch die Felder und Wiesen und die Spazierwege, die um den See herumführten. Und sie fragte sich, wo Luc bloß stecken mochte.
Sie war so darauf konzentriert, nach ihm Ausschau zu halten, in der Hoffnung, ihn endlich wieder irgendwo zwischen den Bäumen zu erspähen, dass sie gar nicht wahrnahm, wie er sich ihr bereits näherte.
Dann, plötzlich, trat er mit einem raschen Schritt um die kleine Bank herum, neigte in einer eleganten Verbeugung den Kopf und reichte Amelia das Bouquet. »Meine liebe Amelia, würdest du mir die unermessliche Ehre erweisen, gnädigst darüber nachzusinnen, meine Vicomtesse zu werden?«
Amelia streckte langsam die Hand nach den Blumen aus, blinzelte, schaute ihn mit großen Augen an, nahm schließlich das Bouquet und sah sich verwundert um.
Luc lächelte sie verschmitzt an und setzte sich neben sie. »Nein, keine Angst, es gibt keine Zuhörer... oder zumindest noch nicht.« Er deutete mit einem knappen Nicken zum Haus hinüber. »Irgendjemand wird uns von dort aus mit Sicherheit gerade beobachten, das ist doch selbstverständlich, bei diesen alten Klatschbasen... aber hier oben sind wir noch ganz allein.«
Amelia schloss behutsam die Hände um die Blumen, hob sie an ihr Gesicht und sog den zarten Duft ein. Dann blickte sie Luc wieder an. »Und ich dachte, wir wären uns bereits darüber einig gewesen, dass wir heiraten wollen?«
Luc, den Blick noch immer wie in Gedanken auf das Haus gerichtet, zuckte lediglich mit den Schultern. »Ich dachte eben, dass du in gewisser Weise ein Recht darauf hast, dass ich dich auch noch einmal ganz formell um deine Hand bitte.«
Sie zögerte. Dann erwiderte sie mit kühler Stimme: »Du bist aber nicht auf die Knie gegangen.«
Amüsiert schaute er sie an. »Nimm, was du kriegen kannst.«
Noch immer über alle Maßen verwirrt, sah Amelia ihm forschend in die Augen.
»Aber wie dem auch sein mag«, fuhr Luc dann fort, das Gesicht wieder nach vorn gewandt, »in jedem Fall hatte ich an eine sofortige Heirat gedacht.«
Nun verschlug es Amelia, die sich ohnehin noch immer nicht so ganz von ihrer Überraschung erholt hatte, beinahe gänzlich die Sprache. »Aber ich dachte -«
»Ich habe meine Meinung geändert.«
»Warum?«
»Du meinst, was es sonst noch für einen Grund gäbe außer der unbedeutenden, kleinen Tatsache, dass ich die vergangene Nacht in deinem Bett verbracht habe? Mal ganz abgesehen davon, dass das ja auch nicht das erste Mal war, dass wir uns einander hingegeben haben?«
Amelia starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Ja, ganz richtig - abgesehen von dieser gewissen, unbedeutenden kleinen Tatsache. Denn nur deswegen muss man ja nun nicht gleich sofort im Eiltempo zum Altar stürmen... wie wir beide sehr wohl wissen.«
»Stimmt. Aber andererseits darf man sich doch auch fragen: Warum nicht? Warum sollten wir nicht sofort heiraten? Dann könnten wir uns einander hingeben, ohne dass ich Gefahr laufe, mir bei dem Gehangel über die Klettergewächse den Hals zu brechen. Ich bin ja schließlich kein Fliegengewicht, und überhaupt - wie wollen wir das Ganze denn fortführen, wenn wir erst wieder in London sind?«
Was war bloß in ihn gefahren? »Hör bitte auf, mir irgendetwas vorzumachen«, unterbrach Amelia ihn. Luc dagegen schaute weiterhin verträumt in Richtung Hightham Hall. »Der Grund, weshalb wir unsere Hochzeit noch für mindestens zwei Wochen hinauszögern wollten, war doch der, dass du der Ansicht warst, die Gesellschaft würde unsere Zuneigung zueinander sonst nur für irgendeinen Vorwand halten und nach anderen, möglicherweise zwingenderen Gründen für unsere Heirat forschen.«
»Aber wie ich schon gesagt habe - ich habe meine Meinung geändert«, erwiderte er nun kühl und geradezu arrogant.
Amelia zog die Brauen so hoch, wie dies nur irgend möglich war.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er ihre Reaktion. Dann presste er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und neigte den Kopf. »Schon gut. Du hattest Recht. Nun, wo diese alten Klatschweiber uns also als ein Paar akzeptiert haben, erwarten sie natürlich auch eine offizielle Bekanntgabe unserer Absichten - ehe wir heiraten. Aber zumindest haben wir nun die Sache mit der Brautwerbung
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