Küsse im Morgenlicht
er nur die Fingerspitzen. Er drückte sie einmal zärtlich. Dann stand er auf, schob seinen Stuhl zurück, trat um den Tisch herum und legte ihre Hand schließlich sanft wieder zurück in ihren Schoß. Dabei sagte er leise: »Ich bin mir sicher, mein Haushalt ist bei dir in den besten Händen.« Er schwieg einen Augenblick und fügte schließlich noch hinzu: »Ich bin zum Mittagessen wieder zurück.«
Im Stillen war sie sich zwar nicht so sicher, ob Lucs Haus bei ihr tatsächlich in den »besten« Händen lag... aber besagte Hände waren zumindest gut geschult und arbeitseifrig. Denn genau dies war die Aufgabe, die zu erfüllen Amelia von Geburt an bestimmt gewesen war, für die sie erzogen worden war und die sie immer wieder geübt hatte: den Haushalt eines Gentleman zu führen.
Sie hatte gerade ihren Tee beendet, als Mrs. Higgs im Salon erschien. Amelia erwiderte das freundliche Lächeln ihrer Haushälterin. »Ihr kommt gerade passend. Wir wäre es, wenn wir mit der Besprechung der Menüs beginnen?«
»Sehr gerne, Ma’am, wenn Ihr es wünscht.«
Von früheren Besuchen her war Amelia das Haus bereits recht vertraut. »Als Esszimmer benutzen wir in Zukunft den kleinen Salon, der vom Musikzimmer abzweigt.« Damit erhob sie sich.
Mrs. Higgs folgte ihr in die Halle nach. »Dann wollt Ihr also nicht in Eurem eigenen Wohnzimmer dinieren, Ma’am?«
»Nein. Dieser Bereich soll privat bleiben.« Vollkommen privat.
Außerdem wurde der kleine Salon hinter dem Musikzimmer morgens regelrecht vom Sonnenlicht durchflutet. In dem Raum befanden sich eine bequeme Chaiselongue und zwei Lehnsessel, die jeweils mit Chintz bezogen waren, außerdem stand hinten an der Wand ein kleiner Sekretär. Es war also alles noch genauso, wie Amelia es in Erinnerung gehabt hatte. Sie marschierte zu dem kleinen Schreibplatz mit seinem zerbrechlich wirkenden Stühlchen hinüber, und genau wie sie vermutet hatte, befanden sich im Inneren des Sekretärs etwas Papier sowie ein paar Stifte. Zweifellos war der Schreibplatz seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Vor allem aber besaß er ein Schloss mit einem Schlüssel.
»Der hier wird mir in Zukunft als Schreibtisch für meine Korrespondenz dienen. Er ist wie dafür geschaffen.« Amelia setzte sich, durchwühlte die Papiere nach einem sauberen Blatt und untersuchte dann die Stifte. »Ich werde mir bald ein paar bessere Schreibutensilien besorgen, aber für heute wird das wohl reichen.« Sie lächelte Mrs. Higgs an und deutete mit einem knappen Nicken auf den Armlehnensessel, der dem Sekretär am nächsten stand. »Zieht Euch den da heran, setzt Euch, und dann wollen wir anfangen.«
Doch obwohl Amelia das Prozedere von der Theorie her natürlich kannte und gemeinsam mit ihrer Mutter schon an unzähligen Haushaltsplanungen teilgenommen hatte, so war sie nichtsdestotrotz überaus dankbar für Mrs. Higgs treue Unterstützung und ihren gesunden, durch viele Jahre des Dienstes geschulten Menschenverstand.
»Ente an Kirschen wäre eine gute Wahl. Das würde auch zu dem Rest des Menüs passen. Ich meine, nun, da wir es uns leisten können, das Drumherum ein klein wenig extravaganter zu gestalten, wäre es doch nur gerecht, wenn wir dem Hausherrn dafür eine seiner Leibspeisen zubereiten. Und Ente an Kirschen ist ganz eindeutig eine davon.«
Gehorsam fügte Amelia in das abendliche Menü »Ente mit Kirschen« ein. Und natürlich war ihr auch Mrs. Higgs kurze Bemerkung zur finanziellen Situation der Familie Ashford nicht entgangen. Die Haushälterin hatte in den letzten Jahren sicherlich mit einem äußerst knapp bemessenen Haushaltsbudget auskommen müssen... Es war also nur vernünftig, dass Luc ihr offenbar bereits mitgeteilt hatte, dass ab sofort kein Grund mehr zur Sparsamkeit bestand. »Können wir dazu noch Crème Brulée nehmen, was meint Ihr? Das würde die Sache sehr schön abrunden.«
Mrs. Higgs nickte. »Eine gute Wahl, Ma’am.«
»Wunderbar. Dann hätten wir das also schon einmal erledigt.« Amelia legte den Stift nieder und reichte Mrs. Higgs die Seite. Die Haushälterin ließ noch einmal rasch den Blick darüber schweifen, dann steckte sie das Blatt Papier in die Tasche ihrer Schürze.
»Nun wüsste ich aber gerne, ob es vielleicht noch irgendetwas.... anderes gibt, das ich wissen sollte?« Amelia blickte Mrs. Higgs aufmerksam an. »Ich denke da an die weniger erfreulichen Dinge, was das Haus und die Dienerschaft anbelangt. Gibt es da irgendwelche Probleme, die geklärt werden
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