Küsse im Morgenlicht
von dem Strudel der Emotionen. Vor allem aber wollte Amelia noch ein Stückchen weiter vorankommen auf dem Weg, den sie gemeinsam begonnen hatten - sie war neugierig darauf, den nächsten Tempel kennen zu lernen.
Seit ihrem Intermezzo in Lady Orcotts nur schwach erleuchtetem Korridor hatten sie in dieser Richtung kaum mehr Fortschritte gemacht. Der Hauptgrund dafür war natürlich ihr Mangel an Zeit. Oder zumindest schien es so, obgleich Amelia normalerweise sofort jegliches Zeitgefühl verlor, sobald sie Lucs Lippen auf ihrem Mund spürte.
Von seinen Händen auf ihrem Körper - egal, ob bekleidet oder bereits entblößt - mal ganz zu schweigen.
Doch wie dem auch sein mochte, so hatte sie doch in jedem Fall bereits ein oder zwei Dinge von ihm gelernt. Zum Beispiel, dass er trotz der Tatsache, dass er sie rein physisch gesehen durchaus begehrte, grundsätzlich nie die Kontrolle über sich verlor. Sein eiserner Wille ließ sich einfach nicht unterdrücken, sodass Luc stets die Macht behielt - und zwar nicht nur über sich selbst, sondern auch über Amelia. Sogar wenn sie nur noch als ein keuchendes, besinnungsloses und willenloses Bündel in seinen Armen lag, beherrschte Luc seine Impulse noch immer so gekonnt, als unternähme er nur gerade einen entspannenden Ausritt. Genau genommen war dies sogar eine sehr treffende Analogie - denn Luc liebte es auszureiten, blieb aber stets Herr der Situation.
Folglich war es für Amelia eine äußerst verlockende Herausforderung, Luc nun endlich auch einmal wehrlos in den Fängen der Leidenschaft sehen zu wollen; jenem heißen, alles verschlingenden Strudel der Emotionen, der nicht mehr nur sie, sondern auch ihn mit sich reißen sollte.
Sie blickte ihn an, betrachtete die festen Konturen seines markanten Kinns. Dann lächelte sie und wandte den Kopf wieder nach vorne.
Die Auffahrt, über die man zu Georginas Villa gelangte, lag gleich hinter der nächsten Kurve. Luc lenkte die Karriole zwischen zwei Torpfosten hindurch und auf jenen Weg hinauf, der sie direkt zu jenem runden Platz führte, der sich vor der Haupttür des Herrenhauses erstreckte.
Georgina wartete bereits darauf, ihre ersten beiden Gäste begrüßen zu dürfen. »Meine Lieben.« Sie zog Amelia in eine nach feinem Parfüm duftende Umarmung und küsste sie auf die Wange. Dann streckte sie Luc mit einem herzlichen Lächeln die Hand entgegen. »Das letzte Mal, als ich Euch hier gesehen habe, seid Ihr noch aus einem der Pflaumenbäume gepurzelt. Zum Glück hattet Ihr Euch damals nichts gebrochen.«
Luc hatte sich vor Amelias Cousine verbeugt und richtete sich nun wieder auf. »Aber habe ich womöglich den Baum beschädigt?«
»Nein, auch das nicht. Ihr hattet lediglich eine ziemliche Menge der Pflaumen weggenascht.«
Amelia schob ihren Arm unter dem von Georgina hindurch. »Die anderen kommen in den Kutschen nach. Können wir dir noch bei irgendetwas behilflich sein?«
Die Antwort lautete selbstverständlich »Nein«, sodass sie bereits nach draußen auf die Terrasse gingen und sich an einem kühlen Getränk erfrischten, bis die anderen schließlich nachkamen. Eingeladen waren nicht nur Lucs Schwestern und Fiona sowie Minerva und Louise - diese beiden sollten besonders Georgina ein wenig Gesellschaft leisten -, sondern auch der junge Lord Kirkpatrick und zwei seiner Freunde und natürlich Reggie und Amelias Bruder Simon. Nicht zu vergessen Amelias drei Cousinen: Heather, Eliza und Angelica, zusammen mit einigen von deren Freundinnen.
Schließlich kamen also auch die Kutschen der anderen die Auffahrt heraufgerumpelt; ihre Fahrgäste gesellten sich zu Luc und Amelia auf die angenehm schattige Terrasse, und die Picknickgesellschaft wuchs an zu einer recht beachtlichen Gruppe, in der herzhaft gelacht und geplaudert wurde.
Luc betrachtete die Versammlung mit gemischten Gefühlen. Und er war froh, dass seine beiden jüngsten Schwestern, Portia und Penelope, zu Hause in Rutlandshire geblieben waren. Der Hauptgrund, weshalb die beiden nicht gemeinsam mit ihrer Familie nach London gefahren waren, lag in den ursprünglich nur sehr bescheidenen finanziellen Möglichkeiten der Ashfords. Nach Lucs unverhofftem Glücksfall hatte er zwar mit der Idee gespielt, ob er die beiden nicht nachkommen lassen sollte, doch da sie erst dreizehn und vierzehn Jahre alt waren, überwog schließlich die Überlegung, dass sie sich besser auch weiterhin erst einmal brav ihren Unterrichtsstunden widmen sollten. Penelope hätte ihre Nase zwar
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