Küsse im Morgenlicht
auch auf der Sommergesellschaft sicherlich wieder in irgendeinen dicken Wälzer gesteckt, aber Portia wäre unter Garantie mit Lucs preisgekrönter Meute von Jagdhunden durch die Gartenanlagen getobt. Wären die beiden also mitgekommen zu diesem Ausflug, dann hätte er sie beide stets fest im Auge behalten müssen - und er müsste ihre ständigen und leider oftmals auch sehr treffenden Neckereien ertragen. Es war daher also nur gut, dass diese beiden gewitzten Plagegeister in sicherer Entfernung geblieben waren.
»Luc?«
Amelias Stimme riss ihn wieder zurück in die Gegenwart, zurück auf den Landsitz in Merton. Luc blinzelte kurz - und dann sah er sie, wie sie sich einer scharf umrissenen Silhouette gleich vor dem gleißenden Sonnenlicht abhob, das über den Rasen fiel. Amelia trug ein dünnes Musselinkleid, das für diesen heißen Tag wie geschaffen war. Das helle Licht im Hintergrund ließ den Stoff beinahe durchsichtig werden, entblößte die Wölbung einer Brust, die kleine Einbuchtung ihrer Taille, die durch den köstlichen Schwung ihrer Hüften nur noch schmaler wirkte, gefolgt von ihren langen, schlanken Beinen.
Luc musste einmal tief einatmen, ehe er die Kraft fand, den Blick zu ihrem Gesicht zu heben. Amelia beugte leicht den Kopf und musterte ihn neugierig, während über ihre Lippen ein zartes Lächeln spielte. Sie deutete auf den Teller, den sie in der Hand hielt. »Komm und iss etwas.«
Luc nickte und erhob sich - allerdings nur ganz langsam, denn er brauchte diesen kleinen Moment, um seinen Hunger zu bezähmen, der plötzlich geradezu überwältigend und unerwartet gierig in seinem Inneren tobte. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sein Verlangen nach leiblichen Genüssen ein solches Ausmaß angenommen hatte - dass es bereits jenen Punkt erreicht hatte, an dem die Gier sich geradezu schmerzlich in seinen Körper zu graben schien und ihm regelrecht die Luft nahm.
Dann, nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, gesellte Luc sich zu Amelia; rechter Hand von ihr befanden sich die Türen zu einem der Esszimmer, in dem ein wahres Festmahl für die Gäste angerichtet worden war. Der Großteil der Picknickgesellschaft war bereits dabei, sich die Teller zu füllen, und unablässiges Geplapper erfüllte den Raum. Andere wiederum strömten - ihre Gaumenfreuden vorsichtig in den Händen balancierend - schon wieder nach draußen und auf die Tische und Stühle zu, die auf dem Rasen zu kleinen Sitzinseln zusammengefügt waren.
Luc nahm Amelia deren Teller ab und blickte tief in ihre blauen, fragend zu ihm aufschauenden Augen. Mit der anderen Hand umfasste er ihre Finger, hob sie an und drückte schließlich einen zarten Kuss auf ihre Fingerspitzen. Dabei ließ er Amelia - aber auch nur sie - ganz kurz den wahren Grund für die Gier in seinem Blick erkennen.
Erstaunt sah sie ihn an. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, ließ Luc ihre Hand auch schon wieder sinken und drehte Amelia sanft zu einem der Buffettische um. »Und jetzt verrate mir mal bitte, welches die leckerste der kleinen Köstlichkeiten hier ist.«
Um ihre Lippen spielte ein verräterisches Zucken, dann aber erklärte sie ihm mit ruhiger Stimme, dass für ihren Geschmack besonders die gefüllten Weinblätter ganz hervorragend schmeckten.
Beide legten sich die eine oder andere Leckerei auf ihre Teller und gesellten sich anschließend zu den anderen auf den Rasen. Die nächste Stunde verstrich bei gemütlicher Plauderei wie im Fluge. Nette Gesellschaft, fantastisches Essen, guter Wein und das Ganze auch noch an einem strahlend hellen Sommertag - alle entspannten sich und genossen den herrlichen Ausflug. Und sogar die sonst üblichen kleineren Eifersüchteleien und Reibereien blieben diesmal gänzlich aus.
Schließlich, nachdem sie ihren Appetit mit dem köstlichen Essen gestillt hatten, brachen die jüngeren Mitglieder der Picknickgesellschaft - also genauer gesagt alle bis auf die älteren Damen, Luc, Amelia und Reggie - zu einem kleinen Erkundungsgang entlang dem ganz in der Nähe gelegenen Fluss auf. Ein kleiner Spazierpfad, der zuerst durch die Grünanlage führte, ging etwas außerhalb des Anwesens in einen Landweg entlang des Flussufers über. Simon, Heather, Eliza und Angelica kannten den Weg bereits. In einem regelrechten Wirbel aus pastellfarbenen Musselinkleidern und gerüschten Sonnenschirmen brachen die Mädchen spontan auf, während die jungen Gentlemen sich eifrig bemühten, ihnen hier und da behilflich zu sein oder die Hand zu
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