Küsse im Morgenlicht
Hand wieder sinken zu lassen. Den Blick über Amelias Schulter gerichtet, entdeckte er plötzlich das Herzstück des Obstgartens - eine Oase wie eigens für ihrer beider Zwecke geschaffen.
Es handelte sich um ein Sommerhäuschen, und dass dieses kleine Gebäude ausgerechnet mitten im Obstgarten errichtet worden war, lag sicherlich auch daran, dass man sich die Abgeschiedenheit des Plätzchens hatte zu Nutze machen wollen. Der Garten lag ein wenig höher als der Rest der Grünanlagen, sodass man vom Sommerhaus aus den Blick über den Fluss und die weit in der Ferne liegenden Felder schweifen lassen konnte - und gleichzeitig verhinderte der dichte Baumbestand, dass andere einen beim Genuss der Landschaft beobachteten.
Viele der Villen in Merton waren einst von Londoner Gentlemen für ihre Geliebten erbaut worden, und Luc war im Geheimen schon sehr darauf erpicht, endlich die - hoffentlich - sorgsame Planung des unbekannten Architekten erkunden zu dürfen. Zumal er sich nicht sicher war, wie lange er es wohl noch schaffen würde, die Finger von seiner verführerischen Weggefährtin zu lassen. Das Gras unter den Bäumen wuchs zwar dicht und üppig, und es waren auch erst sehr wenige der Früchte zu Boden gefallen - aber selbst schlichte Grasflecken wirkten auf dem Kleid einer Dame schon sehr verräterisch.
Luc deutete also auf das Sommerhaus. Und er brauchte kein Wort zu sagen - Amelia war genauso begierig wie er. Eilig drehte sie sich um und ging voraus. Die Röcke leicht gerafft, schritt sie die drei flachen Stufen hinauf, warf Luc ein rasches Lächeln zu, ging weiter und ließ sich dann mit einer schwungvollen Drehung auf das fest gepolsterte Sofa fallen, das genauso platziert worden war, dass man von ihm aus die herrliche Aussicht genießen konnte.
Amelia schaute zu Luc auf, ein weiches Lächeln auf den Lippen, und hob mit fragender, fast schon herausfordernder Geste leicht die Brauen. Einen kurzen Moment lang hielt Luc inne - dann trat er langsam näher und gesellte sich zu ihr.
Doch nicht so, wie sie es erwartet hatte. Denn er setzte sich nicht etwa neben sie, sondern stützte sich mit einem Knie auf das Sofapolster, beugte sich über Amelia, umfasste mit einer Hand ihr Gesicht, hob es leicht zu sich hoch und presste seine Lippen kurzerhand auf die ihren.
Er war jetzt nicht in der Stimmung für höfliche Spielchen oder neckische Vorgeplänkel, war nicht mehr dazu bereit, eine Zurückhaltung vorzutäuschen, die ja überhaupt nicht mehr zwischen ihnen existierte. Denn eines hatten die leidenschaftlichen Küsse, die sie im Laufe der vergangenen fünf Tage getauscht hatten, in jedem Fall bewirkt: nämlich dass gewisse Barrieren, gewisse Hemmschwellen zwischen ihnen verschwunden waren. Amelia und ihre Lippen gehörten ihm, wann immer er es wollte. Er wusste dies, und sie wusste es auch.
Sie reagierte voller Inbrunst auf seinen Kuss, so wie immer. Ihre Lippen unter den seinen öffneten sich einladend, hießen ihn mit ihrer verführerischen Wärme willkommen. Sie schmeckte köstlich und süß, und Luc genoss ihren Mund, labte sich an ihrem Geschmack, während er sich langsam auf die Sofapolster niedersinken ließ, seine Hüfte dicht an der ihren.
Sie schlang ihm die Arme um den Hals und lehnte sich gegen den stützenden Arm zurück, den er um sie legte. Sowohl Amelia als auch Luc waren regelrecht ausgehungert, wurden von einem geradezu frustrierenden Verlangen gepeinigt, und es gab keinen Grund, warum sie sich nun nicht aneinander gütlich tun sollten.
Eine ganze Weile lang taten sie auch genau das, linderten auf diese Weise den sinnlichen Appetit, der im Laufe der vorhergehenden Tage geweckt worden, aber stets ungestillt geblieben war. Doch das reichte bei weitem nicht, um Lucs heftigen Hunger zu befriedigen. Oder den ihren.
Luc war so vollkommen in dem Kuss gefangen, in der verführerischen Süße ihres Mundes, dass er überhaupt nicht wahrnahm, dass Amelia - wieder einmal - die Führung übernommen hatte. Dass sie es sich in ihrem Eigensinn plötzlich hatte einfallen lassen, sein Hemd aufzuknöpfen und seine Brust zu entblößen. Ein ganz kurzer, flüchtiger Moment der Kühle war die einzige Warnung, die er erhielt, und dann lagen ihre Handflächen auch schon auf seiner nackten Brust - ein Gefühl, das ihn bis ins Innerste erschütterte.
Er löste sich aus ihrem Kuss, atemlos und verwirrt, seine Sinne wie berauscht von dem elektrisierenden Kitzel ihrer kühnen, um nicht zu sagen schamlosen Erkundung seines
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