Kuesse niemals deinen Chef
völlig entspannt auf dem Wildledersofa.
Wie ein selbstgefälliger griechischer oder römischer Liebesgott! dachte Grace bebend vor Scham und Empörung und versuchte sich freizumachen.
Vergeblich! Am liebsten hätte sie vor Frust laut geflucht oder gekreischt. Oder ihm irgendetwas an den Kopf geworfen. Verzweifelt kämpfte sie gegen die aufsteigenden Tränen. Nein, das durfte sie nicht zulassen! Auf keinen Fall wollte sie vor all den Partygästen und Kameras anfangen zu heulen … und noch weniger vor Lucas Wolfe.
„Lassen Sie mich los!“, zischte sie ihm unterdrückt zu. „Haben Sie sich nicht bereits genug geleistet für einen Abend?“
„Grace …“, begann er ruhig, doch sie war entschlossen, ihn nicht anzuhören.
Dieser Mann stand für Lügen und Verführung … und sie wollte hier so schnell wie möglich raus. Sie musste dringend über Schadensbegrenzung nachdenken.
Noch einmal versuchte sie, sich ihm zu entziehen, und plötzlich war sie frei. Dem Funkeln in seinen Augen konnte Grace entnehmen, dass sie diesem Umstand nicht ihrer eigenen Kraft verdankte, sondern er sie gehen ließ. Mit aller Macht unterdrückte Grace ein unangebrachtes Gefühl aufsteigender Enttäuschung, schwang herum und bahnte sich blindlings einen Weg durch die anderen Partygäste.
In ihrem Kopf hörte sie Mary-Lynns Prophezeiung widerhallen. Die Stimme rau von zu viel Alkohol und Zigaretten. „Eines Tages wirst auch du dich wegen eines Mannes ruinieren, Gracie. Du wirst es erleben und endlich von deinem hohen Ross runtersteigen müssen.“ Sollte ihre Mutter etwa recht behalten? Konnte niemand seinem vorbestimmten Schicksal entkommen?
Vielleicht bin ich ja die Dumme, weil ich es trotzdem so verbissen versuche …
Grace war noch nicht in der Lobby des Luxushotels angekommen, als sie merkte, dass sie ihr Handtäschchen in der Bar hatte liegen lassen. Hinter der schier undurchdringlichen Sicherheitsbarriere, die sie nur dank Lucas Wolfes Begleitung hatte überwinden können. Was sollte sie ohne ihre Schlüssel, Brieftasche und PDA anfangen? Wohin konnte sie jetzt flüchten, wenn nicht in ihr Heim?
Mitten auf der breiten Marmortreppe kämpfte sie mit den Tränen.
„Grace.“
Natürlich war er ihr nachgekommen! Was hatte sie denn anderes erwartet? Er war Regisseur und Held in diesem Spiel, und sie hatte ohne seine Erlaubnis die Bühne verlassen. Mit zitternden Knien und geballten Fäusten blieb sie stehen, drehte sich aber nicht um. Dennoch reagierte sie auf seine Nähe, ohne dass sie es verhindern konnte. Sengende Hitze breitete sich von ihrem Nacken über den ganzen Körper aus.
Grace zwang sich, den Kopf zu heben und Lucas direkt anzuschauen, als er langsam um sie herumging.
„Fast wäre ich geneigt zu glauben, du bist vor mir davongerannt“, sagte er, „wenn ich nicht wüsste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist. Frauen laufen mir hinterher und nicht von mir weg.“
„Tut mir leid, aber die Order aus der Chefetage muss mir wohl entgangen sein“, erwiderte Grace.
Wortlos streckte er die Hand aus, und sie griff ebenso stumm nach ihrer schmalen, glitzernden Abendtasche, wobei sie streng darauf achtete, nicht seine Finger zu berühren.
„Seltsam …“, sinnierte Lucas weiter, „aber irgendwie habe ich dich nie für den Cinderellatyp gehalten.“ Trotz des leichten Tons schwang etwas in seiner Stimme mit, das ein Echo in ihrem Innern auslöste. Es war, als wüsste auch er, wie gefährlich diese Situation war. Ein falscher Schritt, und sie wären beide verloren.
„Ich konnte Cinderella noch nie ausstehen“, nahm Grace ihm jede Illusion. „Erstens gibt es meines Erachtens keinen Grund, Schuhe zu tragen, die so schlecht sitzen, dass man sie verliert, wenn man einmal rennen muss. Zweitens weiß ich gar nicht, was sie auf diesem Ball verloren hatte. Statt um den Prinzen hätte sie sich lieber um ihren Job kümmern sollen.“
„Du weißt schon, dass es sich um ein Märchen handelt, oder?“
Grace stand einfach nur da und schaute ihn an. Was habe ich hier noch verloren? fragte sie sich und wusste keine Antwort. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte sie sich nicht bewegen.
Lucas fluchte unterdrückt. Sein Blick verdunkelte sich. „Komm mit mir nach Hause.“ Das war keine Einladung, sondern ein Befehl.
In ihrem Innern verspürte Grace eine Sehnsucht, die sie ganz atemlos machte. Der überwältigende Drang, ihrer Schwäche nachzugeben und sich dem Mann auszuliefern, von dem sie wusste, dass er
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