Kuesse niemals deinen Chef
zum Spielball der Presse zu machen!“
„Das brauche ich gar nicht. Die Paparazzi folgen mir freiwillig auf Schritt und Tritt und schreiben über mich, was ihnen gerade in den Sinn kommt.“
„Das hätte ich dir vielleicht sogar abgenommen, wenn ich nicht aus erster Hand mitbekommen hätte, was für ein Meister der Manipulation du bist. Den trägen, gelangweilten Playboy brauchst du mir nicht länger vorzuspielen, den nehme ich dir sowieso nicht ab.“
Lucas sagte nichts, sondern beobachtete nur ihr wechselndes Mienenspiel. Hinter der offensichtlichen Wut und Empörung sah er auch Angst und Schmerz. Das faszinierte ihn und bereitete ihm gleichzeitig Unbehagen.
„Was ist mit dir passiert?“
Entsetzt merkte Grace, wie der Knoten in ihrem Hals immer größer wurde und ihr die Tränen kamen. „Du meinst, was heute Morgen mit mir geschehen ist?“, fragte sie giftig. „Nun, ich kam in mein Büro und musste feststellen, dass unser hauseigener Don Juan seine freie Zeit dazu genutzt hat, in meiner Vergangenheit herumzuschnüffeln, die ich nicht ohne Grund vor langer Zeit begraben habe!“
„Ich meine damals, in deinem Leben“, erklärte er unbeeindruckt von ihrem Seitenhieb. „Als ich diese Bilder sah, konnte ich kaum glauben, dass das wirklich du bist. Warum versuchst du nur so verbissen, deine naturgegebene Schönheit und Lebensfreude vor der ganzen Welt zu verstecken? Warum gibst du vor, dass dieser Teil deines Wesens gar nicht existiert?“
„Weil diese Grace nie existiert hat!“, zischte sie.
Oh, nein! Sie wollte nicht weinen! Nicht vor diesem Mann, der mit derselben gleichgültigen Respektlosigkeit, mit der er sich durchs Leben manövrierte, die dunkelsten Geheimnisse ihrer Vergangenheit ans Licht gezerrt hatte. Als sie den Folder nach dem Meeting auf ihrem Schreibtisch gefunden und geöffnet hatte, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen. Scham und Panik überschwemmten sie mit einer Gewalt, die ihr den Atem genommen hatte. Und dann kamen der Schmerz und das Entsetzen darüber, dass ausgerechnet Lucas Wolfe die Fotos gefunden hatte.
Zum Glück war sie allein in ihrem Büro gewesen!
Elf lange Jahre nach dem Desaster war es ihr wenigstens vorübergehend gelungen, die quälenden Erinnerungen aus ihrem Bewusstsein zu verbannen, und dann tauchten die demütigenden Hochglanzfotos auch noch ausgerechnet in ihrem Büro auf! An einem Ort, wo Gracie-Belle nie existiert hatte.
Damals war sie jung und schrecklich naiv gewesen. Und sie hatte so verzweifelt nach einer Möglichkeit Ausschau gehalten, an Geld zu kommen, dass sie alles vergessen hatte, was sie bereits über Männer und den Lauf der Welt wusste. Sie hatte dafür bezahlt, und sie bezahlte immer noch dafür.
„Ich erwarte nicht, dass du es verstehst“, sagte sie gepresst. „Wie solltest du auch? In deinem privilegierten Schickimickileben hast du ganz sicher nie etwas so dringend gebraucht, dass …“
„Grace“, unterbrach Lucas sie ruhig. „Du fasst das alles völlig falsch auf. Ich wollte dich auf keinen Fall …“
„Demütigen?“, warf sie ein. „Oder bestrafen, weil ich mich geweigert habe, mit dir ins Bett zu gehen?“
Lucas zuckte zurück und wirkte regelrecht geschockt. „Was? Natürlich nicht!“
Sie starrten einander an wie zwei Kampfhähne, dann hob er fast hilflos die breiten Schultern. „Ich wollte dich nur daran erinnern, wer du bist oder zumindest sein könntest.“
„Wer ich bin?“, echote sie bitter. „Woher willst ausgerechnet du das wissen?“
„Tja, ist doch seltsam, oder? Da sieht man jemanden auf einem Foto und glaubt, ihn dadurch zu kennen. Ist das nicht auch die Quelle, aus der du schöpfst, wenn du meinen Charakter beurteilst? Oder sollte ich sagen verurteilst?“
Da Grace nicht zugeben wollte, dass dieser Punkt an Lucas ging, schwieg sie klugerweise. „Ich werde dir jetzt eine Geschichte erzählen, für die du viel Fantasie brauchst“, kündigte sie stattdessen an. „Sie spielt an Schauplätzen, die so gar nichts mit romantischen englischen Landsitzen oder der glamourösen Weihnachtszeit im Hartington gemein haben. Ich bin nämlich in echter Armut aufgewachsen.“
Lucas spürte, dass es ihr schwerfiel, darüber zu reden, doch an ihrer Entschlossenheit, ihn über ihr wahres Leben aufzuklären, bestand kein Zweifel.
„Kein Daddy, der sich mal weigerte, für einen Monat meine Rechnungen zu bezahlen. Sondern ständig am Überlegen ob lieber ein Dach über dem Kopf oder Essen kaufen. Und das im
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