Kuesse niemals deinen Chef
hatte mit Grace Carter, Eventmanagerin von Hartington, zu tun. Lucas scrollte die Liste rauf und runter und versuchte, sich die Grace, die er kannte, als Produktassistentin in Los Angeles vorzustellen. Als Konzertpianistin in Saskatchewan oder Bücher schreibende Missionarin an der Côte d’Ivoire.
Dann blieb sein Blick an einem Link haften, der sich von den anderen unterschied. Gracie-Belle Carter stand da. Lucas lachte leise, als er ihn anklickte. Gracie-Belle hörte sich absolut nicht nach seiner Grace an! Eher nach den seichten, anschmiegsamen Mädchen, die ihm besonders in seinen jungen Jahren den zweifelhaften Ruhm als Herzensbrecher eingebracht hatten. Doch als sich die angeklickte Seite aufbaute, schwand der amüsierte Ausdruck aus seinem Gesicht. Verlangen und Neugier ballten sich zu einem Knoten in seinem Magen zusammen.
Es war die Grace, die er kannte, dann aber auch wieder nicht.
Die Frau auf dem Farbfoto war eigentlich noch ein Teenager mit den langen, schlaksigen Beinen eines jungen Fohlens, aber bereits recht fraulichen Kurven. Das ovale Gesicht war umrahmt von einer goldblonden, sexy zerzausten Lockenmähne. Auf einem Bild trug sie nicht mehr als ein winziges Bikinihöschen und schaute mit großen Augen und einem hinreißenden Schmollmund kokett über die Schulter nach hinten. Ein anderes Bild zeigte sie in einem noch winzigeren Bikini. An allen interessanten Stellen klebte nasser Sand, als habe sich die süße Nixe nach einem Bad im Meer auf dem warmen Strand gerekelt. Auf einem weiteren Foto kniete sie im Sand und hielt sich die feuchten Kringellocken mit beiden Händen aus dem Gesicht, während sie trotzig in die Kamera schaute. Unter dem nassen T-Shirt zeichneten sich ihre vollen, runden Brüste ab.
Sie war einfach hinreißend in ihrer Frische und Unschuld und konnte auf den Bildern nicht älter als höchstens achtzehn sein.
Es dauerte eine Weile, bis Lucas registrierte, dass er in einer alten Ausgabe eines amerikanischen Sportmagazins mit einer Fotostrecke über Bademoden gelandet war. Und noch länger dauerte es, bis er wirklich glauben konnte, dass es sich bei dem aufreizenden, blutjungen Geschöpf um die prüde, zugeknöpfte Eventmanagerin von Hartington handelte.
Hier nannte sie sich laut Bildunterschrift Gracie-Belle Carter aus Racine, Texas.
Seine Grace, die Inkarnation einer viktorianischen Schönheit, ein Bademodenmodel aus Texas? Das passte so gar nicht zu dem Bild, das er sich bisher von ihr gemacht hatte. Und doch meldete sich eine Stimme in seinem Hinterkopf, die freimütig zugab, dass ihm dieser Gedanke außerordentlich gefiel. Hatte er die unterschwellige Leidenschaft und Wildheit hinter der strengen Fassade nicht die ganze Zeit über geahnt und gespürt?
Wie konnte er es anstellen, die wahre Grace aus ihrem farblosen Schneckenhäuschen herauszulocken? Wie würde sie sein, wenn sie sich völlig natürlich, frei und ungehemmt zeigte? Allein der Gedanke ließ sein Begehren wie eine sengende Flamme in ihm hochschießen.
Diesmal war es Grace, die Lucas’ Bürotür ohne anzuklopfen aufriss und mit lautem Knall hinter sich zuwarf. Sie hatte den großzügigen Raum schon halb durchquert, ehe Lucas überhaupt reagieren konnte. Und als er den Folder in ihrer Hand sah, den er auf ihren Schreibtisch gelegt hatte, wusste er auch, warum sie so verärgert war.
Und sie sah einfach hinreißend aus in ihrer Rage. Auf den hohen Wangenknochen brannten rote Flecken, die wundervollen Augen wetterleuchteten, und selbst das unvermeidliche mausgraue Businesskostüm mit den langen Ärmeln und der hochgeschlossenen Bluse half nichts. Lucas sah Grace Carter im knappsten aller Bikinis auf sich losstürmen.
„Natürlich wusste ich, wie verachtenswert du sein kannst!“, zischte sie und warf den Folder mit den Fotos vor ihn hin. „Und dass du nicht mehr Moral als ein streunender Straßenkater hast, aber das ist selbst für jemanden wie dich zu viel!“
„Ich weiß gar nicht, wovon du redest“, behauptete Lucas gelassen, lehnte sich in seinem Sessel zurück und war überrascht, wie sehr er ihren Wutausbruch genoss. „Ich werde täglich mit Fotos von mir konfrontiert. Und von den meisten weiß ich nicht einmal, wann und wo sie aufgenommen wurden. Du hast für diese Fotostrecke bewusst posiert, oder nicht?“
„Da war ich gerade mal siebzehn!“, knirschte sie und ballte die Hände zu Fäusten. „Das war eine einmalige Sache. Und ich versuche nicht ständig, Aufmerksamkeit zu erregen und mich
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