Kuessen Auf Eigene Gefahr
Fluch der Schwarzen Witwe feierten, erschien ihr ein kleines bisschen verfrüht, aber sie wollte alles tun, was nötig war, um weiterhin guter Dinge zu bleiben. Sie hatte es doch schon so weit geschafft. Sie musste nur fest daran glauben. «Ich schaffe noch eine Woche, oder?»
Trinity hatte Flip-Flops und einen Bleistiftrock an, der derart eng war, dass sie jedes Mal, wenn sie ihn trug, nur noch watscheln konnte wie ein Pinguin. Sie hatte dieses Outfit mit Bedacht ausgewählt, da es, falls der Fluch die Kontrolle über ihren Willen, ihren Anstand, ihre sittlichen und moralischen Vorstellungen und ihre grundlegenden menschlichen Qualitäten übernehmen sollte, das Hetzen von ahnungslosen Opfern deutlich erschweren würde.
Sie konnte dieses Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, absolut nicht ausstehen. Diesen Augenblick, wenn die Lichter zu grell wurden, wenn ihr Herz zu rasen begann, wenn ihr Verstand sie anschrie, es nicht zu tun, und sie sich doch irgendwie wieder nicht zurückhalten konnte. Der Fluch der Schwarzen Witwe trieb sie unbarmherzig dazu, sich zu verlieben und dann ihren Angebeteten ins Jenseits zu schicken. Mit Sicherheit nicht gerade der Stoff, aus dem Teenager-Träume gemacht sind. Oder die Träume von neunundzwanzigjährigen Single-Mädels.
«Aber klar, du wirst es schaffen.» Reina trug ein glitzerndes, rotes Cocktailkleid und Riemchensandalen. Sie hatte sich ihr rotbraunes Haar hochgesteckt und wie immer strahlten ihre Augen vor purer Lebensfreude. Ihr positives, munteres Temperament war schon so oft Trinitys Rettungsring gewesen und sie schätzte ihre Freundin sehr. «Du hast jetzt beinahe fünf Jahre ausgehalten. Was macht da eine weitere Woche noch aus?»
«Ich glaube nicht, dass der Fluch mich so einfach davonkommen lassen wird. Etwas liegt in der Luft. Ich kann es spüren.» Trinity schaffte es nicht, die Anspannung aus ihrer Stimme zu verdrängen. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. «Letzte Nacht hatte ich einen Traum. Ich lief durch den Boston Common Park und eine Blaskapelle kam vorbei. Lauter süße Jungs. Sie wollten mit mir essen gehen, und ich habe sie alle umgebracht.» Bei dem Gedanken daran wurde ihr flau im Magen. «Und sie waren alle Väter. Und jetzt haben ihre Kinder keine Papas mehr und ihre Frauen sind jetzt alle alleinerziehend und –»
«Aufhören!», rief Reina und warf ein Brötchen nach ihr. «Mädchen, um Himmels willen, du musst dich zusammenreißen. Weder wirst du irgendwelche Kinder zu Waisen machen, noch eine ganze Kompanie Männer umbringen. So bösartig bist du nicht!»
«Du steckst nicht in meiner Haut. Ich fühle, wie diese Finsternis in mir pulsiert. Andauernd. Völlig irre.» Ein kokettes Kichern vom Nebentisch erregte plötzlich Trinitys Aufmerksamkeit und sie wandte sich um.
Ein Pärchen war gerade eingetroffen, beide um die Zwanzig. Die Frau trug ein wunderschönes Kleid in gebrochenem Weiß, und der Mann lächelte, während er einen Stuhl für sie heranzog, so sehr, dass man seine Grübchen sehen konnte. Er bot ihr den Stuhl an, wobei seine Hand leicht wie eine Feder auf ihrem Rücken ruhte. Das Mädchen strahlte ihn an. Dann lächelten beide, er beugte sich zu ihr und strich mit seinen Lippen über ihre Wange.
Trinity legte die Hand unter ihr Kinn und stützte den Ellenbogen auf dem Tisch auf. «Okay, also das ist so ziemlich das Süßeste –»
«Hey!», mahnte Reina halblaut und packte Trinitys Arm.
Trinity verkrampfte sich und sah ihre Freundin an. «Ich hab es schon wieder getan, oder?»
«Du musst damit aufhören, auf die Männer zu schauen.» Reina zeigte mit zwei Fingern auf sich selbst: «Konzentrier dich ganz auf mich, Killergirl. Du weißt ganz genau, dass es nicht gut für dich ist, die Liebe zu sehen. Du regst dich bloß auf und dann muss ich mich am Ende auf dich draufsetzen, damit du den armen Kerl nicht abmurkst.»
Beinahe hätte Trinity aufgelacht. «Wenn ich unter der Fuchtel des Fluchs stehe, würde es vermutlich auch nicht viel helfen, wenn du auf mir draufsitzt.»
«Ich weiß. Mädel, wenn du dich verliebst, dann schnappst du total über.» Reina drehte ihr Glas zwischen den Fingerspitzen. «Weißt du, ich bin wirklich beeindruckt, dass du schon so lange durchgehalten hast, ohne jemanden zu ermorden. Das hast du gut gemacht, meine Liebe.»
Durch ihre Worte löste sich Trinitys Anspannung etwas und sie spürte einen Kloß im Hals. «Danke. Das ist lieb.»
Reina lehnte sich zurück und seufzte übertrieben verzweifelt.
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