Küssen auf eigene Gefahr
Hirn vor sich, Lady?«
Sie sah ihn mit unschuldiger Miene an und schob die übrigen Haarnadeln in ihren Knoten.
»Red?«, drängte er.
Catherine drehte den Kopf weg und sah aus dem Fenster.
»Ah, jetzt schweigen wir also wieder, was?« Sam zuckte mit den Schultern und lehnte sich auf seinem Sitz zurück. »In Ordnung, damit kann ich leben. Eigentlich finde ich es sogar ziemlich angenehm. Nur dann kann ich nämlich einigermaßen sicher sein, dass keine Lügen über ihre süßen Lippen kommen.«
8
I n Pocatello machte der Bus Halt für die Mittagspause. Fünfundvierzig Minuten später setzte er seine Fahrt fort. Er war gerade auf der Höhe der Auffahrt zum Expressway, als vom Freeway her rasch näher kommendes Sirenengeheul zu vernehmen war. Die Fahrgäste auf der linken Seite des Gangs reckten die Hälse und konnten einen Sreifenwagen der Highway Patrol mit Blaulicht und Sirene vorbeirasen sehen. Einen Augenblick später versummte die Sirene, und aus dem Lautsprecher auf dem Dach des Streifenwagens ertönte eine Stimme, die den Busfahrer aufforderte, rechts ranzufahren.
Kurz darauf öffnete sich zischend die vordere Tür, und ein Streifenpolizist kletterte in den Bus. Er sprach ein paar Sätze mit dem Fahrer, der daraufhin nach dem Mikrofon am Armaturenbrett griff. In der plötzlich eintretenden Stille schien seine Stimme besonders laut zu dröhnen. »Mary Sanders, würden Sie bitte nach vorne kommen?«
Catherines Helferin folgte der Aufforderung und ging zu den zwei Männern nach vorne, wo sie geraume Zeit mit dem Streifenpolizisten sprach. An einer bestimmten Stelle ihres Gesprächs drehten sie sich beide um und sahen die Fahrgäste an, dann wandten sie sich wieder ab, und die Frau sagte mit leiser, eindringlicher Stimme etwas, das eine längere Erwiderung seitens des Polizisten nach sich zog. Schließlich kamen beide den Gang entlang, Mary vorneweg, gefolgt von dem Polizisten, der eine Hand lässig auf dem Griff seiner Waffe ruhen ließ.
Mary ging an der Reihe, in der Sam und Catherine saßen, vorbei, ohne sie auch nur anzusehen. Der Polizist dagegen blieb direkt vor ihnen stehen.
»Darf ich Sie bitten, mit mir zu kommen, Sir, Ma'am?«
Sam spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Verdammt noch mal, nicht schon wieder. Was hatte sich der Rotschopf denn diesmal einfallen lassen? Und wie zum Teufel hatte sie es dann auch noch geschafft, das Vorhaben in die Tat umzusetzen? Er kämpfte gegen den Impuls an, ihr einen wütenden Blick zuzuwerfen, und fragte stattdessen betont gelassen: »Stimmt was nicht, Officer?« Dabei beugte er sich auf seinem Sitz etwas vor, um nach dem Ausweis in seiner Hosentasche zu greifen.
Er hatte seine Brieftasche noch nicht einmal zur Hälfte herausgezogen, als er sich Auge in Auge mit der Mündung einer Pistole wiederfand.
»Halten Sie Ihre Hände so, dass ich sie sehen kann, Sir!« Der Polizist trat einen Schritt zurück, um sich außerhalb von Sams Reichweite zu bringen. Er war noch ziemlich jung und sichtlich nervös. »Und jetzt stehen Sie auf, ganz langsam.«
Sam tat wie ihm geheißen.
»Drehen Sie sich um und stützen Sie die Hände gegen die Gepäckablage.« Der Streifenpolizist suchte Sam nach Waffen ab und steckte die Pistole, auf die er dabei stieß, in seinen Hosenbund. Danach schien seine Anspannung etwas nachzulassen.
Sam stand so, dass er Catherine direkt ins Gesicht sehen konnte. Er bekam kaum mit, dass die anderen Fahrgäste das Geschehen mit offenen Mündern verfolgten, weil seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf sie gerichtet war. Wenn Blicke töten könnten, wäre Catherine auf der Stelle tot umgefallen.
Sie war jedoch quicklebendig und wohlauf, als sie langsam die Augen hob und seinen Blick erwiderte. Sam starrte sie grimmig an, als ihm der Polizist die Hände auf den Rücken zog und ihm Handschellen anlegte. Er rechnete damit, auf ihrem Gesicht zumindest die Spur eines Triumphgefühls zu entdecken. Es blieb jedoch völlig ausdruckslos, bis zu dem Augenblick, als der Polizist von ihm abließ und seine Aufmerksamkeit ihr zuwandte.
»Alles in Ordnung, Ma'am?«
Sam konnte beobachten, wie ihr Gesicht den hilflosen Ausdruck einer Dreijährigen annahm, die im Kaufhausgewühl ihre Mutter verloren hat, als sie zu dem jungen Streifenpolizisten hochsah. »Ja«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich bin so froh, dass Sie hier sind.«
Sam hätte sie umbringen können.
Er holte tief Luft, stieß sie mit einem hörbaren Zischen wieder aus und drehte sich um.
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