Küssen auf eigene Gefahr
einer Gehörlosenschule! Was weiß ich denn schon von Auftragskillern oder davon, wie die Rechtslage in solchen Dingen aussieht? Du brauchst jemanden, der sich mit so etwas auskennt, wenn du heil aus der Sache herauskommen willst.« Als Catherine erneut einen Blick aus dem Fenster warf, stellte sie fest, dass der Mann inzwischen neben seinem Wagen stand und das Nachbarhaus betrachtete. Er hatte dunkle Haare und Augenbrauen und einen durchtrainierten Körper, der in einer leichten Hose und einem weißen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln steckte. Er war ziemlich attraktiv und strahlte Energie und Stärke aus.
»Da musst du dir schon etwas anderes einfallen lassen«, sagte Kaylee und zog Catherines Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Ich kann nicht zurück.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Es muss eine geben. Wenn ich jetzt zurückgehe, wird mir keiner glauben. Sanchez ist ein angesehener Geschäftsmann und eine bekannte Persönlichkeit in der Stadt.« Kaylee rieb sich mit dem Finger über die Falte zwischen ihren Augenbrauen. »Verdammt noch mal, ich war so froh, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Engagement in einem wirklich guten Club bekommen hatte. Ich dachte, das ist meine Chance. Du musst dir etwas anderes einfallen lassen, Cat. Ich weiß, dass du das kannst -deshalb bin ich ja hergekommen.«
»Um Himmels willen, Kaylee, was erwartest du denn von mir? Denkst du vielleicht, dass ich dich unsichtbar machen kann oder nur meinen Zauberstab schwenken muss, und alles ist wieder so, als wäre nie was gewesen?«
»Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen, Cat, ich brauche deine Hilfe! Meine Chancen stehen gleich null, wenn ich zurückgehe.«
»Tut mir Leid, aber du hast keine andere Wahl. Du hast es selbst gesagt, das hier ist eine ernste Angelegenheit. Du kannst nicht einfach alles unter den Teppich kehren.« Catherine sah, wie ihre Zwillingsschwester trotzig das Kinn in die Höhe reckte, und obwohl ihr klar war, dass Kaylee das, was sie ihr zu sagen hatte, nicht hören wollte, wiederholte sie mit zusammengebissenen Zähnen: »Du musst zurückgehen und dich stellen!«
Kaylee wich Catherines Blick hartnäckig aus und sah an ihr vorbei aus dem Fenster. Plötzlich stieß sie ihren Stuhl vom Tisch zurück und sprang auf. »Ich muss mal aufs Klo.« Sie schnappte sich Handtasche und Koffer und stöckelte mit merkwürdig unsicheren Schritten durch den Flur.
Catherine vergrub das Gesicht in den Händen. Vielleicht sollten sie erst einmal mit einem Rechtsanwalt sprechen, bevor sie die Polizei anriefen. Und wandte man sich in einem solchen Fall an die örtliche Polizei oder an die in Miami oder - Moment mal.
Warum nahm Kaylee eigentlich ihren Koffer mit, wenn sie aufs Klo ging?
Im nächsten Augenblick war Catherine bereits durch den Flur gerannt und riss die Badezimmertür auf. Sie sah gerade noch, wie sich ihre Schwester vom Fensterbrett abstieß und in den gepflasterten Hof hinter dem Haus sprang, und stürzte zum Fenster. »Kaylee!«
Es klang leider keineswegs so herrisch, wie sie gewollt hatte, weil ihr Zwerchfell schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Fensterbrett machte. Gleichzeitig war von der Vorderseite des Hauses her ein lautes Krachen zu vernehmen, und eine männliche Stimme donnerte: »KEINE BEWEGUNG!«
Die beiden Schwestern sahen sich mit ihren identischen grünen Augen entsetzt an, während sie der Aufforderung Folge leisteten. Dann schüttelte Kaylee ihre momentane Lähmung ab und bückte sich, um das Adressbuch aufzuheben, das zwischen den anderen Dingen lag, die sie aus ihrer Handtasche um ihre Füße verstreut hatte. Sie stopfte das Bündel Geldscheine zurück, das aus dem Adressbuch gefallen war, klemmte sich dieses unter den Arm und richtete sich auf. Mit der geballten Faust beschrieb sie einen Kreis auf ihrer Brust, das Zeichen für Tut mir Leid in Gebärdensprache. Nach einem kurzen Zögern wiederholte sie noch einmal Tut mir Leid, Cat. Dann drehte sie sich um und rannte davon, ohne sich weiter um ihre Handtasche und ihren Koffer zu kümmern.
Nein!, hallte es als stummer Schrei in Catherines Kopf wider, während sie versuchte, durch das Fenster zu klettern. Sie hatte es beinahe geschafft und hoffte inständig, dass sie nicht ausgerechnet mit dem Kopf zuerst auf dem Boden landen würde, als die Badezimmertür heftig aufgestoßen wurde und gegen die Wand knallte.
»Hier geblieben, meine Liebe!« Grobe Hände legten sich mit festem Griff um ihre Hüften und zogen sie zurück ins
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