Kuessen gut, alles gut
Selbstvorwürfen. Zwei Tage mit jeder Art von Herz- und Seelenschmerz, die man sich vorstellen konnte.
»Er hat heute Morgen Vince angerufen.«
Die Pediküre im Friseur- und Schönheitssalon Lily Belle in Amarillo rubbelte mit einem Bimsstein an Stellas Ferse. Es überraschte Stella nicht, dass Beau angerufen hatte. Auch ihr Telefon hatte in den letzten Tagen vier Anrufe von ihm registriert. Doch er hatte keine Nachricht hinterlassen, und sie hatte auch nicht zurückgerufen. »Er fühlt sich für mich verantwortlich.«
»Mag sein.« Sadie kicherte, während eine zweite Pediküre ihre Füße schmirgelte. »Gott, das kitzelt.«
Der Bimsstein kitzelte wirklich, aber nicht so schlimm, wie Sadie sich anstellte. Zu sehen, wie ihre Schwester sich lachend wand, zauberte ein Lächeln auf Stellas Lippen.
»Er hat offenbar Gefühle für dich«, stieß Sadie mit Mühe hervor.
Gefühle. Er hatte sie gern. Das war keine Liebe, und das reichte nicht. Nach der Pediküre fuhren sie nach Lovett und erstanden in Deeanns Klamottenladen glitzernde Cowgirl-Gürtel. Dort hörten sie zum ersten Mal das Gerücht, das in der Stadt die Runde machte, dass Blakes Zwillingsbruder mit nichts als einer schwarzen Boxershorts am Leib Stella aus der Wohnung gejagt hätte.
»Das stimmt«, gestand sie ihrer Schwester während der Fahrt zur Ranch. »Aber er ist mir nachgelaufen. Er hat mich nicht aus der Wohnung gejagt.« Sie war es nicht gewohnt, dass Wildfremde über sie tratschten. Über ihre peinlichen Missgeschicke Bescheid wussten. Schlimm genug, dass Sadie es wusste, aber es kam noch dicker. Einen Tag später hörten sie die Version, dass Beau sogar nackt gewesen wäre.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Sadie, als die zwei Albertson’s Supermarkt verließen, wo ihnen eine Kassiererin brühwarm das Neuste erzählt hatte.
»Nein. Mir tut es leid, dass ich so viel Grund zum Tratsch biete.«
Sadie zuckte mit den Achseln. »Alle in der Stadt lieben Klatsch und Tratsch. Das musste irgendwann kommen.«
An jenem Abend hörten sie die dritte Version. Stella saß im Stall neben Sadie, die Maribells Stirn streichelte, während die Stute ihr Fohlen zur Welt brachte. Vince stand neben dem Veterinär am anderen Ende und sagte: »Velma Patterson war heute im Laden und hat gesagt, dass du gesehen wurdest, wie du mit nichts als einer Tarn-Bandana um den Kopf und in Kampfstiefeln aus meiner Wohnanlage gerannt bist.«
»Ich war nackt?«
Vince zuckte mit den Achseln. »Ich hätte es ja nicht erwähnt, aber ich fand, du solltest es wissen.«
»Als Nächstes behaupten sie noch, du wärst mit einem Messer zwischen den Zähnen mit dem Fallschirm abgesprungen.« Sadie seufzte. »Die Wahrheit kann nie schillernd genug sein.«
Maribells Nüstern blähten sich, und das große Tier stöhnte.
»Verdammt!«, fluchte Vince, während er sich neben den Veterinär kniete. »Ich sehe einen Huf.«
»Gleich sehen Sie auch den zweiten«, erklärte der Veterinär, dessen Einsatz jetzt gefordert war. Nach weiteren Presswehen brachte Maribell ein grauweißes Stutfohlen zur Welt. Es war gesund, und Sadie weinte ungeniert, als sie neben dem Fohlen kniete, der letzten Verbindung zu ihrem Vater. »Es ist wunderschön, Daddy.«
Stella beugte sich zu ihrer Schwester und legte ihr den Arm um die Schulter. »So was habe ich noch nie miterlebt«, sagte sie, wobei Tränen ihren Blick trübten. »Das werde ich nie vergessen.« Stella und Sadie schluchzten, während Vince sich räusperte und verdächtig ins Leere starrte. »Das war ein echtes Wunder. Ein kostbarer Moment.«
Sadie nickte und wischte sich die Nase mit dem Ärmel. »Du hast recht. Ich wollte es eigentlich Cadeau nennen, weil das Geschenk heißt und chic klingt, aber ich finde, Tesoro passt besser zu ihm. Oder heißt es Tesora?«
Stella lächelte. »Nenn sie Tesora.« Der Moment war perfekt. Ein perfekter, freudiger Augenblick mit ihrer Schwester. Doch inmitten der Freudentränen erinnerte ihr gebrochenes Herz sie daran, dass ihr Leben alles andere als perfekt war. Sie liebte einen Mann, der ihre Gefühle nicht erwiderte. Sie war ihre Wohnung und ihren Job los, und die Bewohner des Städtchens Lovett glaubten, dass sie abgesehen von Kampfstiefeln und einer Tarn-Bandana nackt durch die Gegend rannte. An jenem Abend lag sie im Bett und dachte über ihr Leben nach. Sie hatte ein paar Ideen, was sie als Nächstes machen wollte, und ging sie im Kopf durch. Aber vor allem dachte sie an Beau. An sein Lachen und sein
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