Kuessen kann schon mal passieren
Dreck aufs Kehrblech.
»Und wie! Wahnsinnig nett!«, rief er übertrieben fröhlich aus. »Alle haben sich mächtig amüsiert. Simon nennt mich jetzt Piccolo. Kati Steckrübe. Nur den Kleinfurz, den haben sie mir groÃzügigerweise erspart.«
ScheiÃe. ScheiÃe. ScheiÃe!
Ich betrachtete den Dreck auf dem Kehrblech, dann sagte ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstehen konnte: »Tut mir leid, Luca. Das war total daneben von mir. Keine Ahnung, was da in mich gefahren ist.«
Er antwortete nicht, was sich anfühlte, als würde ein eisiger Wind durch den Schuppen wehen. Ich stand auf und sah ihm fest in die Augen. »Bitte, Luca! Ich habâs nicht so gemeint.«
»Dafür hast du es aber ziemlich überzeugend gesagt.« Er trat wütend gegen das Zelt.
»Okay, Luca«, versuchte ich es noch einmal. »Es war blöd, bescheuert, dämlich, idiotisch und total unsensibel von mir und ich wünschte, ich könnte es irgendwie rückgängig machen. Kann ich aber leider nicht.«
»Nein, das kannst du tatsächlich nicht.« Er sah mich so verletzt an, dass mein Herz in lauter Einzelteile zersprang. »Du hast mich zum Gespött unserer Freunde gemacht.«
Dann ging er raus. Einfach so. Und ich hatte nicht mal das Recht, es ihm übel zu nehmen.
8.
Und dann begann eine Reihe endlos trüber, endlos einsamer Tage. Als hätten Luca und ich eine Abmachung getroffen, versuchten wir uns aus dem Weg zu gehen, was uns natürlich nicht gelang. Zu eng war unser gemeinsamer Radius, zu viele Schnittstellen hatte er. RankestraÃe, Schule, Innenstadt ⦠Da mein schlechtes Gewissen mich quälte, hatte ich Luca zwei Entschuldigungs-Mails geschrieben, doch er war mir beide Male eine Antwort schuldig geblieben. Er wollte eben nicht â ich musste es akzeptieren. Jeden Morgen ging ich mit Bauchgrimmen in die Schule und hoffte auf ein Zeichen von ihm, aber er tat, als gäbe es mich gar nicht, als wäre ich selbst der Minifurz im Universum. Ich fühlte mich wie eine blöde Kuh ohne Taktgefühl, die er nun nach allen Regeln der Kunst bestrafte. In den Pausen hing er meistens mit Jean und Benjamin rum, manchmal schoben sich auch Luisa und Hannah in mein Blickfeld, nachmittags sah ich ihn mit Filippo in der Stadt und ich hatte kaum das Gefühl, als würde er mich groà vermissen.
So traurig das alles war, hatte ich genug damit zu tun, Jade zu trösten, die liebeskränkste Person unter der Sonne.
Wie vorhergesehen, war sie für Anton bloà ein Intermezzo gewesen. Genau genommen hatte es exakt 152 Minuten angedauert. Nicht mal einen kompletten Abend lang hatte er es mit ihr ausgehalten und war nach dem Luca-Eklat auf eine Schönheit von der Realschule umgeschwenkt, die keiner von uns je eingeladen hatte. Wahrscheinlich hatte Anton das selbst getan, um einem langweilig monogamen Abend mit Jade vorzubeugen. Aus Frust hatte diese sich dann Jean an den Hals geworfen, Bier getrunken, mit Jean eng getanzt, noch mehr Bier getrunken, Jean geküsst, Wodka getrunken und kurz nach Mitternacht den Hof vollgekotzt.
Ich konnte ihr kaum böse sein, hoffte aber, dass das Thema Anton damit endgültig vom Tisch war. Zumal es in der Schule um die Wurst ging. Die letzten entscheidenden Arbeiten vor den groÃen Ferien wurden geschrieben, was mir umso schwerer fiel, da Luca nicht verfügbar war. Er fehlte mir. Ich vermisste seine Nachhilfeversuche. Ich vermisste sein schepperndes Lachen. Ich vermisste, dass er nachmittags auf meinen grottenschlechten Kinderkaffee vorbeikam und mir erzählte, was ihm gerade durch den Kopf ging. Nur seine Mutter saà ab und zu bei uns in der Küche, lächelte mich freundlich an und fragte, wie denn die Aktien so stünden. âºBeschissenâ¹, dachte ich jedes Mal und sagte doch immer: »Ganz okay.« Pech nur, dass Anna Pisani Lucas Nutella-Augen hatte und ich durch sie immer wieder daran erinnert wurde, wie weh es tat, Luca als Freund verloren zu haben.
Prompt hagelte es schlechte Noten. Ich schrieb eine Vier minus in Französisch, kurz darauf eine Fünf in Physik. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Freitag, sechste Stunde. Die Sonne tauchte unsere Schule in milchiges Licht und ich freute mich auf ein stressfreies Wochenende mit Jade im Schwimmbad. Lesen, rumgammeln, von mir aus auch zum x-ten Mal Anton durchkauen. Doch dann schneite Frau Gabowski herein und hatte zu unser
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