Kuessen kann schon mal passieren

hier eigentlich vor sich? Noch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, löste sich Luca wieder von mir und sah mich verwirrt an. Als hätte auch er einen merkwürdigen Traum gehabt.
    Â»Ã„hm, Lena, ich weiß jetzt gar nicht …«, stammelte er verlegen.
    Â»Ich auch nicht«, entgegnete ich leise. »Ich weiß auch nicht.«
    Ich tat, als gäbe es nichts Wichtigeres, als mich von einem hartnäckigen Grashalm im Haar zu befreien. Dann rappelten wir uns hoch und ich klopfte mir die Jeans ab.
    Luca räusperte sich. »Das war ja wohl eher überflüssig, oder?«
    Â»Ja, total überflüssig«, gab ich ihm Recht.
    Luca grunzte und blies die Backen auf. »Dumm gelaufen. Irgendwie …«
    Seite an Seite kehrten wir auf die Straße zurück. Unsere Wut war verraucht, jetzt lag bloß noch Beklommenheit in der Luft.
    Â»Also nicht dass du denkst, ich hätte dich absichtlich auf den Rasen gelockt«, erklärte Luca mit fester Stimme. »Ich hatte nicht vor dich zu küssen.«
    Â»Nee, schon klar.« Und dann sagte ich den dämlichsten Satz aller Zeiten: »Kann ja mal passieren. Macht doch nichts.«
    ***
    Wir liefen schweigend nach Hause. Vielleicht schlichen wir auch eher, zumindest waren wir beide ziemlich verstört. Ich hätte Luca ein paar kleben oder ihm sagen können, dass ich den Kuss schön gefunden hatte, nicht aber: ›Kann ja mal passieren. Macht doch nichts.‹ Küsse passierten nicht einfach und schon gar nicht unter eigentlich besten Freunden, die sich eben noch bis aufs Blut bekriegt hatten. Ich war nicht in Luca verliebt und er nicht in mich, also verstand ich nicht, wie es überhaupt dazu hatte kommen können. Und warum wir nicht sofort damit aufgehört hatten, nachdem es einmal angefangen hatte.
    Â»Tschüss«, sagte ich ein paar Meter vor unserem Hauseingang. Es sollte neutral klingen und ihm die Möglichkeit lassen, sich vielleicht noch zu erklären, aber er tat es nicht. Warf mir ein mehr liebloses als neutrales Ciao hin und verschwand im Haus.
    Mit zittrigen Beinen wie nach einer exzessiven Radrenntour stieg ich die Treppen hoch und schloss die Haustür auf.
    Â»Mama?«
    Niemand da. Erleichtert wärmte ich mir ein paar Nudeln vom Vortag auf und überlegte, was ich zuerst verdauen sollte: die verhauene Deutscharbeit, Frau Gabowskis Ansage, Lucas fiesen Spruch, unseren schrecklichen Streit oder seinen Kuss. In der Summe war es auf jeden Fall mehr, als ich auf einmal verkraften konnte. Ich würgte die Nudeln runter, dann ging ich in mein Zimmer, wusste aber auch hier nichts mit mir anzufangen.
    Für einen Moment wurde ich schwach, trat ans Fenster und riskierte einen Blick nach gegenüber. In derselben Sekunde bewegte sich die Gardine. Hatte Luca ebenfalls dort gestanden und bloß darauf gelauert, dass ich zu ihm rübergucken würde? Nur, warum stand er dann feige hinter der Gardine und kam nicht einfach zu mir rüber, um zu besprechen, was zu besprechen war? Vielleicht gab es aber auch gar nichts zu besprechen. Vielleicht fand er es ganz in Ordnung, so, wie es gelaufen war. Wir hatten uns aufs Übelste gestritten, danach geküsst und jetzt schwiegen wir uns eben wieder an. Waren keine Freunde mehr. Bloß zerstrittene Nachbarn, denen aus Versehen dieses kleine Malheur namens Kuss passiert war.
    Ich hielt es nicht mehr aus, rief Jade an und erzählte ihr von dem Zoff und wie wir als Höhepunkt unserer Auseinandersetzung auf dem Rasenstück gelandet waren.
    Â»Das nenn ich echt romantisch!« Das erste Mal seit ihrem Anton-Liebeskummer hörte ich wieder ihr helles Gekicher.
    Â»Ja, sehr komisch.«
    Â»Und? Wie küsst er so?«, wollte sie wissen.
    Auch wenn ich keinen Vergleich hatte, sagte ich, dass es gar nicht mal übel gewesen war.
    Â»Und wo ist dann das Problem?«
    Â»Ach, Mann, Jade!« Sauer auf mich, Luca und den Rest der Welt trat ich gegen meinen Papierkorb, der am allerwenigsten etwas dafür konnte. »Ich will nichts von ihm! Und er nicht von mir.«
    Â»Aber warum küsst ihr euch dann?«, fragte sie völlig verständnislos.
    Â»Wenn ich das wüsste, hätte ich dich nicht angerufen.« Ich war kurz davor aufzulegen. »Du bist doch die große Liebesexpertin!«
    Einen Moment lang hörte ich Jade bloß geräuschvoll atmen, dann sagte sie: »Okay. Niemand küsst sich einfach nur aus Jux. Wenn man sich