Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
was dir in den Sinn kommt, und mit ein paar Sachen mehr, die dir wahrscheinlich noch nie in den Sinn gekommen sind.«
»Hab ich denn die Wahl?«
»Klar, Wildkatze. Ich hab vier Schlafzimmer. Du kannst dir aussuchen, welches wir zuerst benutzen.«
Nick machte ihr keine Angst. Sie wusste, dass er sie zu nichts zwingen würde. Wenn man mal davon absah, dass sie in seiner Nähe sowieso so ziemlich alles zu vergessen schien, was einem eigenen Willen auch nur ähnelte.
Der Jeep fuhr langsamer und bog in eine breite Zufahrtsstraße, die von Gelb- und Drehkiefern gesäumt war. Aus dem dichten Wald erhob sich ein gigantisches Haus aus gespaltenen Rundhölzern und Seegestein. Durch die riesigen Fenster strömten Lichtmuster auf den frisch gefallenen Schnee. Nick griff nach etwas an seiner Blende, und die mittlere Garagentür von dreien öffnete sich. Dann fuhr er den Geländewagen zwischen seinen Bayliner und die Harley.
Das Haus war innen genauso beeindruckend wie von außen. Allerhand frei liegende Balken, gedämpfte Farben und Naturfasern. Delaney stand vor einer Fensterfront und schaute auf die Terrasse hinaus. Es schneite noch immer, und die weißen Flocken häuften sich auf dem Geländer und segelten in den Whirlpool. Nick hatte ihr aus dem Mantel geholfen, und da die Decken so hoch und die Räume so weitläufig waren, wunderte sie sich, dass sie nicht fror.
»Was hältst du davon?«
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn aus der Küche auf
sie zukommen. Jacke und Schuhe hatte er inzwischen ausgezogen, einen weiteren schwarzen Kragenknopf an seinem weißen Faltenhemd geöffnet und sich die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgerollt. Die schwarzen Hosenträger lagen flach an seiner breiten Brust. Nick reichte ihr ein Budweiser und trank einen Schluck von seinem. Er beobachtete sie über die Flasche hinweg, und sie hatte das Gefühl, dass ihm ihre Antwort wichtiger war, als sie wissen sollte.
»Es ist wunderschön, aber riesengroß. Wohnst du hier ganz allein?«
Er ließ das Bier sinken. »Klar. Wer sollte hier sonst noch wohnen?«
»Keine Ahnung. Eine fünfköpfige Familie vielleicht.« Sie blickte hinauf zu dem Altan, der vermutlich zu den vier Schlafzimmern führte, die er erwähnt hatte. »Willst du mal eine große Familie haben?«
»Ich hab nicht vor zu heiraten.«
Die Antwort gefiel ihr, auch wenn sie nicht wusste, warum. Schließlich wäre es ihr völlig egal, wenn er sein Leben mit einer anderen Frau verbringen, sie küssen oder mit ihr schlafen und sie mit seinen Zärtlichkeiten überwältigen wollte.
»Kinder will ich auch nicht … Es sei denn, du bist schwanger.« Er beäugte ihren Bauch, als könnte man es ihr ansehen. »Wann wirst du es mit Sicherheit wissen?«
»Ich weiß jetzt schon, dass ich nicht schwanger bin.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Er trat ans Fenster und schaute in die Nacht. »Ich weiß, dass allein stehende Frauen heutzutage absichtlich schwanger werden. Als uneheliches Kind ist man heute zwar nicht mehr mit so einem Stigma behaftet wie früher, aber leicht ist es trotzdem nicht. Ich weiß, wie es ist, so aufzuwachsen. Deshalb würde ich das einem Kind nie antun.«
Das Y seiner Hosenträger schmiegte sich an seinen Rücken
und verlief straff über seine breiten Schultern. Sie erinnerte sich an all die Male, als sie seine Mutter und Josu bei Theateraufführungen und zu festlichen Anlässen in der Schulturnhalle hatte sitzen sehen. Henry und Gwen mussten auch da gewesen sein, irgendwo. Wie das für Nick gewesen sein musste, hatte sie sich nie überlegt. Sie stellte ihre Flasche auf dem Couchtisch aus Kirschholz ab und ging zu ihm.
»Du bist nicht wie Henry. Du würdest dein Kind nicht verleugnen.« Am liebsten hätte sie ihm von hinten die Arme um die Taille geschlungen, die Hände auf seinen flachen Bauch gelegt und ihre Wange an seinen Rücken geschmiegt, doch sie hielt sich zurück. »Henry würde sich bestimmt im Grab umdrehen.«
»Er gratuliert sich wahrscheinlich selbst.«
»Warum? Er wollte doch nicht, dass wir …« Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Oh, nein! Nick! Ich hab das Testament ganz vergessen. Und du vermutlich auch.«
Er drehte sich zu ihr. »Ein paar entscheidende Momente lang war es mir tatsächlich entfallen.«
Sie sah ihm in die Augen. Besonders bestürzt wirkte er nicht. »Von mir erfährt es keiner. Ich will die Grundstücke nicht. Ich versprech’s.«
»Das liegt bei dir.« Er strich ihr eine vereinzelte Haarsträhne aus dem Gesicht und
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