Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
sie nichts. Nichts. Und trotzdem kriegt sie alles.«
»Sie zieht wahrscheinlich wieder weg«, erinnerte Nick sie. Ihm war scheißegal, ob Delaney blieb oder sich schon auf dem Heimweg befand. Im Grunde wollte er Henrys Firmen und die Kohle gar nicht. Die einzige Immobilie, auf die er scharf gewesen war, hatte Henry ihm sowieso schon vermacht.
»Pah! Warum sollte sie wegziehen? Dein Onkel Josu hat auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
Josu Olecha war der einzige Bruder ihrer Mutter, Schafzüchter in der dritten Generation, und besaß Land in der Nähe von Marsing. Da Benita Witwe war, sah sie Josu als Familienoberhaupt an, obwohl ihre Söhne längst erwachsen waren.
»Behellige ihn nicht damit«, brummte Nick und lehnte sich mit der Schulter an den Kühlschrank. Als er klein war, waren sein Bruder und er immer, wenn er in Schwierigkeiten geraten war oder seine Mutter fand, dass Louie und er einen positiven männlichen Einfluss brauchten, in den Sommerferien zu Josu und seinen Schäfern geschickt worden. Sie hatten das klasse gefunden, bis sie sich für Mädchen interessiert hatten.
Die Hintertür öffnete sich, und sein Bruder betrat die Küche. Louie war kleiner als Nick, stämmig und hatte von beiden Elternteilen die schwarzen Haare und Augen geerbt. »Also«, legte Louie los und schloss die Fliegengittertür hinter sich. »Was hat der Alte dir hinterlassen?«
Nick lächelte zufrieden und stellte sich aufrecht hin. Sein Bruder würde das Erbe gebührend zu würdigen wissen. »Das wird dir gefallen.«
»Er hat so gut wie nichts bekommen«, warf seine Mutter ein, die gerade einen Teller mit Brotscheiben ins Esszimmer trug.
»Er hat mir Angel Beach und Silver Creek hinterlassen.«
Louie zog seine dicken Brauen bis zum Anschlag hoch, und
seine dunklen Augen glitzerten. »Du liebe Scheiße«, flüsterte der vierunddreißigjährige Landerschließungsunternehmer, damit seine Mutter ihn nicht hörte.
Nick lachte, und die beiden folgten Benita ins Esszimmer und setzten sich an den polierten Eichentisch. Ihre Mutter faltete die Spitzentischdecke ordentlich zusammen und verließ den Raum, um das Essen zu holen.
»Was willst du auf Angel Beach bauen?«, fragte Louie und ging korrekterweise davon aus, dass Nick das Land erschließen wollte. Benita mochte der Wert von Nicks Erbe nicht klar sein, seinem Bruder hingegen schon.
»Keine Ahnung. Ich hab ein Jahr Zeit, darüber nachzudenken.«
»Ein Jahr?«
Benita stellte ihren Söhnen Suppenschalen mit guisado de vaca hin und setzte sich. Draußen war es heiß, und Nick hatte wirklich keine Lust auf Eintopf. »Ich bekomme das Land, wenn ich etwas tue. Oder eher, etwas nicht tue.«
»Will er dich wieder dazu bringen, deinen Namen zu ändern?«
Nick schaute von seiner Schale auf. Seine Mutter und Louie sahen ihn erwartungsvoll an. Er kam nicht darum herum. Sie waren seine Familie und der Meinung, dass Familienmitglieder das gottgegebene Recht hatten, ihre Nasen in seine Angelegenheiten zu stecken. Er schnappte sich eine Scheibe Brot und biss hinein. »Es gab eine Bedingung«, begann er, nachdem er runtergeschluckt hatte. »Ich kriege das Land in einem Jahr, wenn ich mich nicht mit Delaney einlasse.«
Louie nahm langsam seinen Löffel in die Hand. »Einlasse? Inwiefern?«
Nick warf seiner Mutter, die ihn immer noch prüfend ansah, einen verlegenen Blick zu. Sie hatte mit keinem der Jungs je
über Sex gesprochen. Sie hatte es nie auch nur erwähnt. Das Gespräch hatte sie damals Onkel Josu überlassen, doch zu dem Zeitpunkt hatten die Allegrezza-Jungs das meiste sowieso schon gewusst. Er wandte den Blick wieder zu seinem Bruder und zog viel sagend eine Augenbraue hoch.
Louie mampfte einen Mundvoll Eintopf. »Und wenn du es doch tust?«
»Was meinst du damit, wenn doch?« Nick sah seinen Bruder finster an und griff nach seinem Löffel. Selbst wenn er so bekloppt wäre, Delaney zu begehren, was natürlich nicht der Fall war, hasste sie ihn. Er hatte es heute in ihren Augen gesehen. »Du klingst, als bestünde die Möglichkeit.«
Louie sagte nichts. Das brauchte er auch nicht. Er kannte Nick.
»Und wenn doch?«, fragte seine Mutter, die zwar von nichts eine Ahnung hatte, aber der Meinung war, das Recht zu haben, alles zu wissen.
»Dann erbt Delaney das Land.«
»Natürlich. Reicht es denn nicht, dass sie schon alles hat, was rechtmäßig dir gehört? Jetzt wird sie hinter dir her sein, um dein Erbe in die Finger zu kriegen, Nick«, prophezeite seine Mutter, in deren
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