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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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»bei Deutschland«
angestellt, genau genommen bei der Stadt Schleswig. Fröhlich schwang er seinen
Besen über den mit Kleingranit und Katzenköpfen gepflasterten Rathausmarkt in
Schleswigs Altstadt und dachte dabei an seine Frau Karin und die beiden Söhne
Fatos und Ramiz. Bashkim Ahmeti liebte Kinder über alles, besonders natürlich
seine eigenen. Er war wirklich stolz, der Mann aus Korça, einer Stadt auf einer
Hochebene im Südosten Albaniens, unweit der griechischen Grenze. Ob jemand in
seiner alten Heimat glauben würde, dass er im fernen Schleswig glücklich und
zufrieden sein Leben verbrachte?
    Bashkim pfiff
vergnügt eine Melodie und konzentrierte sich auf das Pflaster. Zwischen den
Steinen wucherte das Unkraut. Eigentlich, so dachte Bashkim manchmal, wäre es
doch schön, wenn sich der Platz in einem noch besseren Zustand den Besuchern
präsentieren würde. Bäume mit Kronen, die wie Sonnenschirme aussahen, säumten
das Rund. In einem der gemütlichen Häuser zur Linken befand sich ein
Straßencafé, von dem jetzt nur die zusammengeketteten Korbstühle zu sehen
waren. Genauso verlassen waren die rustikalen Sitzbänke zur Rechten, die einem
anderen gastronomischen Betrieb gehörten.
    Bashkim nahm das
Plätschern des achteckigen Marktbrunnens kaum war, der eine kleine Wasserfläche
bildete, aus dem drei Bronzesäulen herausragten, die abgebrochenen Lanzen
ähnelten und das Wasser spendeten. Erst als er rund um den Brunnen zu fegen
begann, gewahrte er das Kleidungsbündel, das jemand an dieser Stelle im Wasser
entsorgt hatte.
    »Leute werden immer
komischer«, sagte Bashkim auf Deutsch zu sich selbst. »Unverschämtheit, dass
sie werfen weg ihre alten Sachen mitten in unsere schöne Stadt.«
    Er würde »Pulle«
benachrichtigen, seinen Teamleiter, der mit dem kleinen Kehrfahrzeug die
Straßen rund um den Dom fegte. Sein »Chef« wurde von allen »Pulle« genannt,
weil er seine Truppe stets aufmunternd mit »Los, Leute, nun aber volle Pulle
ran« anzuspornen pflegte. Pulle würde das Lumpenbündel auf seinem Wagen mitnehmen.
    Doch dann stutzte
er. Irgendetwas irritierte ihn an dem Paket. Er lehnte seinen Besen gegen den
Brunnenrand aus dunklen Backsteinen, beugte sich vor und zog das Bündel zu sich
heran. Urplötzlich fuhr er zurück und starrte entsetzt auf das Gesicht eines
kleinen Kindes, das aus dem Paket hervorlugte. Der Mund des Kindes war leicht
geöffnet, die Augen blickten starr an Bashkim vorbei ins Nirgendwo.
    Der Mann hatte im
ersten Schreck sein Fundstück wieder losgelassen, sodass es ins Wasser
zurückrutschte. Erst hielt er sich die Hände vor den Mund, dann an die
Schläfen. Er wollte sich umdrehen und »Pulle« zu Hilfe rufen. Doch dann besann
er sich eines anderen. So konnte er das Kind nicht im Wasser liegen lassen.
Auch wenn das Kind tot war, wie er glaubte, so musste er das kleine Wesen aus
dem Wasser holen. Er beugte sich erneut vor, rutschte dabei ab und stützte sich
im Brunnen auf. Mit der anderen Hand zog er an dem Bündel, bis er es beidhändig
greifen konnte. Dann legte er das triefende Paket vorsichtig auf dem
Brunnenrand ab. Erst jetzt drehte er sich um und lief in Richtung
Süderdomstraße, wo er »Pulle« vermutete.
    »Was ist mit dir
los?«, fragte der Vorarbeiter und nahm sich den Ohrenschutz vom Kopf.
    »Da liegt ein totes
Kind im Brunnen auf dem Rathausmarkt«, stammelte Bashkim und zeigte in die
Richtung, aus der er gekommen war.
    »Ehrlich? Irrst du
dich auch nicht?«
    »Nee, Pulle.
Wirklich.«
    Der Vorarbeiter
setzte sein Gefährt in Betrieb und fuhr über das holprige Pflaster der
Altstadtstraßen zum angegeben Ort. Als Bashkim auch dort eintraf, war Pulle
schon ausgestiegen und starrte auf das verschnürte Paket. Dann kratzte er sich
am Hinterkopf und suchte in den Weiten seiner Arbeitshose nach seinem Handy.
Zweimal musste er neu beginnen, weil er sich in der Aufregung vertippte.
Schließlich meldete sich eine ruhige Männerstimme: »Polizei Schleswig.«
    »Wir haben ein totes
Baby im Rathausbrunnen gefunden.«
    »Wo genau?«, wollte
der Polizist wissen.
    »Im Brunnen auf dem
Rathausmarkt. Mensch, das hab ich doch schon gesagt.«
    »Ihr Name?«
    »Johannsmeier«,
sagte Pulle mit aufgeregter Stimme.
    »Bleiben Sie bitte
dort. Die Kollegen sind gleich da.«
    In erstaunlicher
kurzer Zeit rollte ein blau-silberner VW -Passat
auf den Marktplatz. Ihm entstiegen zwei Polizisten. Der jüngere trug einen
silbernen Stern auf dem Schulterstück, während der stämmige ältere

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