Küstenfilz
gegenseitig ausgerottet.«
Lüder musste nicht antworten. Der Blick von Beate
Blasius, der ihren Mann traf, sagte ihm genug. Er selbst sprach von Demütigung.
Natürlich konnte es ihm nicht gleichgültig gewesen sein, dass man hinter seinem
Rücken vom Verhältnis seiner Frau sprach. Der Mann, der betrogen wurde, galt
als Depp, während eine hintergangene Ehefrau eher als Opfer angesehen wurde.
»Haben Sie eine Briefbombe gebastelt?«, fragte Lüder.
»Natürlich nicht«, beteuerte Blasius und gestikulierte
dabei nervös mit seinen Händen.
»Im Übrigen müssen weder mein Mann noch ich
unbestätigte Gerüchte kommentieren«, mischte sich die Bürgermeisterin ein. »Wer
Erfolg hat, zieht Neider an. Da weckt eine böswillige Verleumdung die Fantasie
der Leute.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie kein Verhältnis mit
Holger Rasmussen haben?«
Es war still geworden im Raum. Herbert Blasius’ Augen
hingen förmlich an den schmalen Lippen seiner Frau.
»Ich glaube nicht, dass ich mein Intimleben vor den
Augen und Ohren der Öffentlichkeit ausbreiten muss.«
»Wir sind aber nicht die öffentliche Meinung, sondern
die Polizei, und es gilt, ein hinterhältiges Verbrechen aufzuklären.«
»Mit dem wir beide, mein Mann und ich, definitiv
nichts zu tun haben.« Beate Blasius hatte während des ganzen Gesprächs nie die
Contenance verloren. Man merkte ihr die Erfahrungen eines Politikerlebens an.
»Mich interessiert noch ein anderes Verbrechen. Sie
haben von der Entführung der Joost-Kinder und der Ermordung des jüngsten
gehört?«
Die Bürgermeisterin wechselte wie auf Kommando ihren
Gesichtsausdruck. Es gelang ihr, eine Spur Betroffenheit ins Antlitz zu
zaubern.
»Eine schlimme Sache, besonders für die Eltern. Alle
Schleswiger empfinden tiefes Mitgefühl mit der Familie. Trauer und Zorn über
die Verbrecher vereinigen sich in den Herzen der Menschen dieser Stadt.«
Lüder machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hören Sie
doch auf mit diesem Geschwätz. Ehrliches Mitleid können Sie doch nicht
empfinden. Wollen Sie die Wirkung Ihres Statements, das Sie vor der
Öffentlichkeit ausbreiten, an mir ausprobieren? Wenn Sie wirklich an die Opfer
denken würden, dann müsste Ihre Handlungsweise in vielerlei Hinsicht anders
sein.«
Seine Hoffnung, Beate Blasius mit diesem Anwurf aus
der Reserve locken zu können, wurde nicht erfüllt. Die Bürgermeisterin stellte
weiterhin ihre Gelassenheit zur Schau.
»Sie schätzen Menschen wohl immer falsch ein«, sagte
sie.
Lüder ging nicht darauf ein. »Wissen Sie um die Hintergründe
der Entführung?«
»Woher sollte ich? Niemand hat sie mir vorgetragen.
Das ist doch eine Sache der Polizei und nicht der Stadtverwaltung oder der
Politik.«
»Können Sie sich vorstellen, dass es einen
Zusammenhang zwischen dem Verbrechen gegen die Joost-Kinder und dem geplanten
Großvorhaben an der Schlei gibt?«
Zum ersten Mal flatterten ihre Augenlider nervös. Sie
sah ihren Mann an, dem dieser kurze Moment der Unsicherheit auch nicht
verborgen geblieben war.
»Was für ein Großprojekt?«
Lüder war erstaunt. Bisher hatte er den Lehrer nur als
Softie erlebt. Die an seine Frau gestellte Frage kam aber scharf über seine
Lippen.
»Ach, nichts«, wehrte die Bürgermeisterin ab.
Blasius machte einen Schritt auf den Schreibtisch zu.
»Wegen nichts werden keine Kinder entführt oder ermordet. Was meint der
Polizist mit dem geplanten Großvorhaben?«
»Es handelt sich um eine grobe Idee, die von Kiel
verfolgt wird.«
Wohl eher von Berlin, dachte Lüder, wollte sich aber
in den Disput der Eheleute nicht einmischen. Herbert Blasius war für Greenpeace
aktiv, wie Lüder seit der Demo in der Schleswiger Innenstadt wusste. Da war es
nicht angebracht, die hochbrisanten und vertraulichen Überlegungen der
Regierungen in Kiel und Berlin weiterzutragen.
»Da muss doch mehr dahinterstecken«, bohrte Blasius
nach, aber seine Frau machte keine Anstalten, darauf einzugehen.
»Aber Sie sind im vollen Umfang über den aktuellen
Stand informiert«, mischte sich Lüder ein.
Beate Blasius zuckte mit den Schultern. »Ich habe
einen ersten Einblick bekommen. Wie tief der ist, kann ich nicht sagen. Daher
vermag ich Ihre Frage auch nicht zutreffend zu beantworten.«
Sie wurden durch die beiden Beamten unterbrochen, die
aus dem Keller zurückgekehrt waren.
»Und? Haben Sie etwas gefunden?«, fragte Herbert
Blasius wissbegierig.
»Das erfahren Sie früh genug«, erwiderte Lüder und
wandte sich zum Ausgang.
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