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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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anderen Beispiele;
eine Reise und eine Unterhaltung/Auseinandersetzung, ausgelöst
durch ein Buch (durch zwei Bücher), und beide Male scheinen
Argumente gegen den Glauben irgendwie mit der Reise in Zusammenhang
zu stehen; Bus, Bahn, Flugzeug; eine Reise-Dreifaltigkeit
zweckmäßiger Technologie im Vergleich und Gegensatz zu
paranoiden Psychosen religiöser Gläubigkeit.
    Was macht man mit solchen Leuten? (Ungeachtet dessen, was sie
möglicherweise mit uns machen, wenn sie die Peitsche in die Hand
bekommen; welche Chance hätte ich wohl, eine Vorlesung über
›Vernunft und Mitleid in der Dichtung des zwanzigsten
Jahrhunderts‹ in Teheran zu halten?). Vernunft gestaltet die
Zukunft, doch der Aberglaube verpestet die Gegenwart.
    Und Zufälle überzeugen die Leichtgläubigen. Zwei
Dinge ereignen sich zur selben Zeit oder nacheinander, und wir
unterstellen, daß eine Verbindung bestehen muß; nun, wir
haben letztes Jahr eine Jungfrau geopfert, und es wurde
tatsächlich eine gute Ernte. Natürlich funktioniert eine
Zeremonie, durch die die Sonne aufgehen soll – sie kommt ja
schließlich jeden Morgen, oder nicht? Ich spreche jeden Abend
brav mein Gebet, und siehe da, die Welt ist noch nicht
untergegangen…
    Mistkäferdenken. Das Leben ist zu kompliziert, als daß
es nicht andauernd Zufälle gäbe, und wir müssen uns
damit abfinden, daß sie einfach geschehen und keine Fügung
dahintersteckt, daß sich manche Dinge aus keinem wie auch immer
gearteten Grund ereignen und daß weder das eine eine Strafe
noch das andere eine Belohnung ist. Meine Güte, der hieb- und
stichfesteste, kratz- und schlagsicherste Beweis für ein
göttliches Eingreifen, für eine Art heiligen Masterplan,
wäre doch, wenn es überhaupt keine Zufälle gäbe!
Das wäre wirklich sehr verdächtig.
    Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich derjenige, der sich auf
dem Holzweg befindet. Ich will nicht sagen, daß weder die
Christen noch die Moslems tatsächlich die Wahrheit haben,
daß weder das greisenhafte Geseires in Rom noch die
hysterischen Klimmzüge in Ghom etwas enthalten, das entfernt der
wirklich entscheidenden Erkenntnis nahekommt: Woher kommen wir? und
Was ist der Sinn?, sondern daß beides möglicherweise das
darstellt, was die Menschheit in Wirklichkeit sein möchte;
vielleicht sind es ihre getreuesten Abbilder. Vielleicht ist die
Vernunft der Irrweg. (Denken zerstört!)
    Ein kleines Mädchen – lange lockige blonde Haare,
große blaue Augen, mit einer dieser verschüttsicheren
Plastiktassen in den Patschhändchen – ist soeben in dem
Gang neben mir aufgetaucht; ihr Gesichtsausdruck ist sehr ernst. Sie
starrt mich mit der gleichgültigen Eindringlichkeit an, zu der
nur Kinder fähig zu sein scheinen. Schon ist sie wieder weg.
    Welche unglaubliche Schönheit! Aber woher weiß ich, ob
ihre Eltern nicht christliche Fundamentalisten sind und sie in dem
strengen Glauben aufwächst, Darwin sei ein Handlanger des
Bösen und die Evolutionstheorie ein gefährlicher Unfug?
    Ich vermute, ich werde es nie wissen. (He! Ich habe das Wort
›vermute‹ gebraucht anstatt ›nehme an‹!) Ich
vermute, ich werde es nie wissen, und es würde auch keinen
Unterschied machen. Sollen die Verrückten doch steinerne
Gesetzestafeln verbrennen und der Bundeslade auf dem Berg Ararat
nachjagen; sollen sie doch in blinder Dummheit verharren,
während wir in die Zukunft blicken. Wir müssen nur hoffen,
daß es stets mehr von unserer Sorte als von denen gibt oder
zumindest, daß wir einflußreicher sind, an besseren
Stellen wirken. Wie auch immer.
    Wie auch immer, genau. Ich rieche was zu essen. Meine
Bogengänge des Innenohrs sagen mir – wenn ich mich nicht
täusche –, daß wir allmählich in die Waagerechte
gehen, unsere Reisehöhe erreicht haben. Draußen vor den
Fenstern ist es dunkel. Letzter Zufall:
    Ich habe es nicht ausdrücklich erwähnt, aber die kleine
blöde Stadt – häßlich, regengetränkt –
in dem Gedicht ›Jack‹ hieß Lockerbie (das einzige
Mal, daß du wahrscheinlich den Namen dieses Ortes gesehen oder
gehört hast, war auf unserer Fahrt nach Schottland – er
liegt ziemlich nah an der A74, nicht weit hinter der Grenze), und
– nach der anschaulichen Streckenkarte in meiner mir ganz
persönlich als Flugbegleitung zugedachten Pan-Am-Zeitschrift
– fliegen wir direkt darüber. Ich schätze, der alte
Jack hat längst den Löffel aus der Hand gelegt, um sich die
wie immer geartete Belohnung einzuheimsen, die ihm seiner Meinung
nach zusteht, aber

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