Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
gar nicht anders sein. Vielleicht
glauben sie an gewisse Dinge, aber sie sind nicht gläubig. Das ergibt sich erst durch die Unterwerfung unter die Macht
göttlicher Offenbarung.«
    »Weil mir also das abgeht, was ich für Aberglaube halte,
weil ich der Ansicht bin, daß wir nur zufällig existieren,
und an… die Wissenschaft, die Evolution glaube, was auch immer,
bin ich nicht so… wertvoll wie jemand, der an ein altes Buch und
einen grausamen, alleingelassenen Gott glaubt? Tut mir leid, Mo, aber
nicht mit mir; Christus und Mohammed waren beide lediglich Menschen;
charismatisch, in verschiedener Hinsicht begnadet, aber dennoch
schlichtweg sterbliche menschliche Wesen, und die Gelehrten und
Mönche und Apostel und Historiker, die über sie geschrieben
oder über ihre Gedanken und ihr Leben berichtet haben, waren
durchaus inspiriert, aber nicht von Gott, sondern von etwas in ihrem
Innern, etwas, das jeder Schriftsteller…, genauer gesagt, jeder
Mensch hat. Mo; denk an die Definition: wo das Wissen aufhört,
fängt der Glaube an. Das kann ich nicht hinnehmen. Nun, es
stört mich nicht, daß du es kannst, warum stört es
dich dann so sehr, daß ich so denke, wie ich denke, oder
daß Salman Rushdie denkt, wie er denkt?«
    »Außer Zweifel steht, daß Ihre Seele nur Sie
allein etwas angeht, Mr. Munro, und Rushdie die seine. Blasphemisch
zu denken bedeutet, die Sünde auf die eigene Person zu
beschränken, sich aber in der Öffentlichkeit blasphemisch
zu äußern, ist ein bewußter Angriff auf all jene,
die glauben. Es ist eine Vergewaltigung unserer Seelen.«
    Kannst du dir das vorstellen? Dieser Knabe steht vor einem
Einser-Examen; sein Vater ist Astrophysiker, herrje! Mo wird
wahrscheinlich selbst einmal Dozent sein (er fängt seine
Sätze jetzt schon mit ›außer Zweifel steht‹ an;
du liebe Güte, viel fehlt ihm sowieso nicht mehr dazu). Wir
schreiben fast das Jahr 1989, aber von den finstersten Zeiten des
frühen Mittelalters trennen uns nur die Dicke eines Buches, nur
die Dicke eines Schädels, nur das Umblättern einer
Seite.
    Es findet also eine Diskussion statt, während die blattlosen
Bäume und die kalten braunen Felder vor der Doppelscheibe des
Waggons vorbeiziehen und das unvermeidliche quengelnde Kind irgendwo
plärrt.
    Aber was sagst du dazu? Ich fragte ihn, was er von der Sache mit
den Jugendlichen halte, die auf ihren Hondas kreuz und quer durch die
Minenfelder fuhren, um den Weg für die Iranische Armee zu
säubern, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Für mich
ist das Wahnsinn. Für Mo? Vielleicht Irreführung,
vielleicht Mißbrauch, aber dennoch etwas Ruhmreiches. Ich
erklärte ihm, daß ich zwar Die Satanischen Verse nicht gelesen hatte, den Koran aber sehr wohl und ihn fast ebenso
absurd und widerlegbar wie die Bibel fand… Und danach wurde ich
ein wenig laut, während Mo sehr leise und verschlossen und
einsilbig wurde, und einer der anderen mußte mit besonnenen
Worten zwischen uns schlichten. (Zufall: Ich habe die Penguin-Ausgabe
des Koran gelesen – herausgegeben von einem Juden, wie Mo
behauptet, und ebenfalls unheilig, weil sie die Abschnitte in der
falschen Reihenfolge bringt – und Viking, wo Die Satanischen
Verse erschienen sind, gehört derselben Verlagsgruppe
an… ein fruchtbarer Boden für eine
Verschwörungs-Theorie?)
    Später gaben Mo und ich einander die Hand, doch der Tag war
verdorben.
     
    Eine gute Stelle für eine Pause. Unser Flug ist gerade
aufgerufen worden.
     
    Hallo, noch mal. Also, hier bin ich wieder, eine Bloody Mary in
der einen Hand, den Kugelschreiber in der anderen, und Rushdies Buch
dient als Schreibunterlage. Auf der einen Seite habe ich den Gang,
auf der anderen einen freien Sitzplatz, ich kann mich also ausbreiten
(die Schuhe habe ich bereits ausgezogen). Es ist weniger los, als ich
um diese Jahreszeit erwartet hätte. Jacksonville, ich komme!
(Ich schätze, wenn es Harvard gewesen wäre, hätte man
mir ein Ticket der Business Class bezahlt, aber man kann nicht alles
haben.)
    Richtig. Die Zufälle, von denen ich sprach. Ich habe also in
der Abflug-Lounge mit der Lektüre der Satanischen Verse angefangen, und wie geht es da los? Mit zwei Typen, die durch die
Luft fallen, nachdem der Jumbo-Jet, mit dem sie unterwegs waren,
explodiert war. Großartig. Ich meine, ich bin beim Fliegen
nicht besonders nervös oder so, aber so etwas möchte man
nicht unbedingt vor dem Besteigen eines Flugzeuges lesen, habe ich
recht? Das ist also der eine Fall. Dazu die beiden

Weitere Kostenlose Bücher