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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Alle waren angesteckt.
    Nein, das war töricht. Ich war wohl von einer Xenophobie
befallen. Die Ursache kam von innen, nicht von außen.
    »Darf ich dir etwas verraten?«
    »Wie meinst du das?« sagte ich. Was für eine
seltsame Frage, dachte ich.
    »Nun, vielleicht findest du es… geschmacklos; ich
weiß es nicht.«
    »Verrate es mir trotzdem. Ich habe ein
unerschütterliches Gemüt.«
    »Ich bin… ich habe das Schiff gebeten, mich… zu
verändern.« Er warf mir einen flüchtigen Blick zu. Ich
musterte ihn. Die gebeugte Haltung, die Magerkeit und die blasse Haut
hätten nicht der Dienste des Schiffes bedurft. Er bemerkte
meinen abschätzenden Blick und schüttelte den Kopf.
»Nein, nicht äußerlich, innerlich.«
    »Oh. Wie das?«
    »Nun, ich habe mir… innere Organe ähnlich wie die
der Eingeborenen einsetzen lassen. Und die Narkotika-Drüsen habe
ich mir entfernen lassen, ebenso wie das… ähm…«
Er lachte nervös. »Das Schlaufensystem in meinen
Hoden.«
    Er ging weiter. Ich glaubte ihm sofort. Ich konnte mir allerdings
nicht vorstellen, daß das Schiff sich zu so etwas bereit
gefunden hatte, aber ich glaubte Linter. Ich wußte nicht, was
ich sagen sollte.
    »Deshalb… ähm… bleibt mir keine andere Wahl,
als häufig zur Toilette zu gehen, und ich… ich mußte
auch etwas mit meinen Augen unternehmen.« Er hielt inne. Jetzt
war es an mir, zu meinen Füßen hinunterzustarren, wie ich
da in meinen aufwendigen italienischen Bergschuhen die Stufen
hinaufkletterte. Ich wollte all das nicht hören. »Sie
mußten, grob gesagt, neu verdrahtet werden, damit ich so sehen
kann, wie sie sehen. Etwas zerfaserter, irgendwie weniger – nun,
nicht weniger farbig, sondern eher… irgendwie gequetschter. Bei
Nacht kann ich auch nicht viel erkennen. Dasselbe gilt für meine
Ohren und die Nase. Aber dadurch… Nun, es ist beinahe so,
daß dadurch alle Eindrücke verstärkt werden,
verstehst du? Ich bin immer noch froh, daß ich es gemacht
habe.«
    »Aha.« Ich nickte, ohne ihn anzusehen.
    »Mein Immunsystem ist jetzt auch anfälliger. Ich kann
mich erkälten und… alles mögliche. Die Form meines
Schwanzes habe ich nicht verändern lassen; meiner Ansicht nach
kann er so bleiben. Wußtest du, daß es hier
beträchtliche Unterschiede bei den Genitalien gibt? Die
Buschmänner der Kalahari haben eine ständige Erektion, und
ihre Frauen haben etwas, das Tablier Egyptien genannt wird,
einen kleinen Fleischwulst, der ihre Genitalien verdeckt.« Er
vollführte einen Schwenk mit einer Hand. »Ich bin also
keineswegs so abartig. Meiner Meinung nach ist das alles eigentlich
gar nicht so schrecklich, findest du nicht? Ich weiß nicht,
warum ich befürchtet habe, du könntest angeekelt oder so
etwas sein.«
    »Hmm.« Ich fragte mich, was wohl in das Schiff gefahren
sein mochte, daß es all diese Dinge mit dem Mann angestellt
hatte. Es hatte eingewilligt, all diese Dinge – mir fiel keine
andere Bezeichnung als ›Verstümmelungen‹ ein – an
ihm durchzuführen, und dennoch wollte es das Terminal nicht von
ihm annehmen. Warum hatte es all das mit ihm gemacht? Es behauptete,
es wollte seine Einstellung ändern, aber statt dessen hat es
seinen Körper geändert und war auf seinen wahnwitzigen
Wunsch eingegangen, den Eingeborenen ähnlicher zu werden.
    »Ich kann jetzt mein Geschlecht nicht mehr ändern, wenn
ich es wollte. Die Gliedmaßen wachsen immer noch nach, wenn sie
abgeschnitten werden, daran konnte das Schiff nichts ändern,
nicht so schnell; das braucht Zeit, intensive Pflege; und es weigerte
sich auch, Einfluß zu nehmen auf… ähm… die
Geschwindigkeit meines Uhrwerks, oder wie man es nennen will. Ich
werde also immer noch sehr langsam alt, lebe länger als
sie… Aber ich denke, es wird sich noch erweichen lassen, wenn es
merkt, daß es mir vollkommen ernst ist.«
    Mir fiel keine andere Erklärung ein, als daß das
Schiff, indem es Linters Physiologie dem planetarischen Standard
weitgehend angepaßt hatte, dem Mann zeigen wollte, was für
ein erbärmliches Leben die Leute hier führten. Vielleicht
dachte es, wenn es ihn mit der Nase in die menschlichen
Lebensbedingungen stieße, würde er reumütig zu den
vielfältigen Wonnen des Schiffs zurückeilen, letztendlich
zufrieden mit seinem Dasein in der Kultur.
    »Es stört dich doch nicht, oder?«
    »Stören? Warum sollte es mich stören?« sagte
ich und kam mir im selben Moment albern vor, weil ich mich wie in
einer kitschigen Schnulze anhörte.
    »O doch, ich sehe dir an,

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