Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
eine Amöbe im Vergleich zu ihnen
natürlicher ist, nur weil sie auf einer etwas tieferen
Entwicklungsstufe steht.«
    »Aber Sma, sie leben nach ihren Instinkten, oder versuchen es
zumindest. Wir sind ungemein stolz darauf, daß wir nach unseren
bewußten Einsichten leben, aber wir haben verlernt, uns zu
schämen. Dabei haben wir das genauso nötig. Wir haben es
sogar noch nötiger als sie.«
    »Was?« schrie ich. Ich fuhr herum, packte ihn bei
den Schultern und schüttelte ihn. »Was sollen wir? Uns
schämen, weil wir uns nach unserem Bewußtsein richten?
Bist du übergeschnappt? Was fehlt dir nur? Wie kannst du so
etwas sagen ?«
    »Hör doch zu! Ich behaupte nicht, daß sie besser
sind; ich sage nicht, wir sollten versuchen, so wie sie zu sein; ich
meine nur, sie haben einen Begriff von… Licht und Schatten, der
uns fehlt. Auch sie sind manchmal stolz, aber sie schämen sich
auch; sie fühlen sich überlegen und allmächtig, doch
dann erkennen sie wiederum, wie machtlos sie in Wirklichkeit sind.
Sie kennen das Gute, das sie in sich bergen, aber sie kennen auch das
Böse in sich; sie finden sich mit beidem ab, sie leben mit beidem. Uns fehlt diese Dualität, diese Ausgewogenheit.
Und… und kannst du denn nicht einsehen, daß es für
ein Wesen – mich –, das in der Kultur aufgewachsen ist, das
sich aller Möglichkeiten des Lebens bewußt ist,
erfüllender sein kann, in dieser Gesellschaft zu leben anstatt
in der Kultur?«
    »Du findest dieses… Jammertal also
erfüllender?«
    »Ja, natürlich. Weil es so… einfach, weil es so
lebendig ist. Letzten Endes haben die Leute hier recht, Sma; es geht
nicht so sehr darum, ob vieles von dem, was sich abspielt, das ist,
was wir – oder auch sie – möglicherweise
›böse‹ nennen; es geschieht nun mal, es ist da, und
das ist entscheidend, deshalb lohnt es sich, hierzusein und
dazuzugehören.«
    Ich nahm die Hände von seinen Schultern. »Nein, ich
verstehe dich nicht. Verdammt noch mal, Linter, du bist für mich
fremdartiger als die Leute hier. Zumindest haben jene eine
Entschuldigung. Herrje, du gebärdest dich wie ein blöder,
vom Mythos benebelter Frischkonvertierter, ist dir das nicht klar?
Der Fanatiker. Der Irre. Du tust mir leid, Mann.«
    »Nun… ich danke dir.« Er wandte den Blick gen
Himmel und blinzelte erneut. »Ich wollte nicht, daß du
mich allzu schnell verstehen würdest, und« – er gab
einen Laut von sich, der annähernd ein Lachen war –
»ich glaube, das ist auch nicht geschehen, nicht wahr?«
    »Sieh mich nicht so flehentlich an.« Ich schüttelte
den Kopf, aber ich konnte nicht weiterhin wütend auf ihn sein,
wenn er mich so ansah. Etwas in mir gab klein bei, und ich sah, wie
eine Art schüchternes Lächeln über Linters Gesicht
huschte. »Ich habe nicht die Absicht«, sagte ich, »dir
die Sache leichtzumachen, Dervley. Du begehst einen Fehler. Den
größten deines Lebens. Du tätest gut daran zu
begreifen, daß du ganz allein bist. Bilde dir nicht ein, ein
paar hingepfuschte Veränderungen und die Ausstattung mit neuen
Darmbakterien brächte dich dem Homo sapiens einen Deut
näher.«
    »Du bist eine Freundin, Diziet. Ich bin dir dankbar,
daß du dir Sorgen machst… Aber ich glaube, ich weiß,
was ich tue.«
    Es war an der Zeit, daß ich wieder mal den Kopf
schüttelte, also tat ich es. Linter hielt meine Hand fest,
während wir zur Brücke zurückgingen und dann den Park
verließen. Er tat mir leid, denn offenbar war er sich über
seine Einsamkeit klar geworden. Wir wanderten noch eine Zeitlang
durch die Stadt, dann gingen wir zum Mittagessen in seine Wohnung. Er
wohnte in einem modernen Block nicht weit vom Hafen und, nicht weit
entfernt von dem klotzigen Kasten des Rathauses; er hatte ein kahles
Apartment mit weißen Wänden und wenigen Möbeln. Es
machte keinen sehr bewohnten Eindruck, abgesehen von einigen
späten Lowry-Reproduktionen und Holbein-Skizzen.
    Während des Vormittags hatte sich der Himmel bewölkt.
Ich verließ ihn nach dem Essen. Ich vermute, er hatte erwartet,
daß ich bliebe, aber ich wollte nichts anderes mehr, als
schleunigst zum Schiff zurückzukehren.

 
    4.4: < Gott hat es mir eingegeben
     
    »Warum habe ich was getan?«
    »Was du mit Linter gemacht hast. Warum hast du ihn
verändert, ihn umgekrempelt?«
    »Weil er mich darum gebeten hat«, antwortete das Schiff.
Ich stand auf dem oberen Deck des Hangars. Ich hatte gewartet, bis
ich wieder an Bord war, bevor ich mich mit ihm auseinandersetzte,
mittels einer

Weitere Kostenlose Bücher