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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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entfernt würde.
    Auch konnte sie mit mehr Recht als alle anderen den Titel einer
Universalreligion beanspruchen. Alle großen Religionen
beschränkten sich entweder auf die Spezies, in der sie
entstanden waren, ließen sich auf eine einzige Spezies –
oft sogar nur eine Untergruppe – zurückführen oder
waren gezielt entwickelt worden, indem man eine Reihe von halbwegs
ähnlichen Religionen unterschiedlicher Herkunft mischte oder
eine Synthese aus ihnen bildete.
    Da sich die ›Wahrheit‹ nicht auf Wunder (jedenfalls
keine belegten Wunder) berief und auch nicht das Werk eines
einzelnen, unersetzlichen Propheten war (sie war wie aus dem Nichts
in einer Vielzahl verschiedener Zivilisationen entstanden) konnte sie
als die erste wahrhaft postwissenschaftliche, panzivilisatorische
Religion gelten – zumindest war sie die erste, die nicht einfach
von einer Hegemonie den besiegten Untertanen gegen ihren Willen
aufgezwungen worden war. Die ›Wahrheit‹ konnte sogar
leugnen, überhaupt eine Religion zu sein, um sich bei denen
anzubiedern, die nicht von Natur aus religiös waren. Man konnte
sie auch als Philosophie betrachten, sogar als wissenschaftliches
Postulat, gegründet auf statistische Wahrscheinlichkeiten, die
durch nichts zu erschüttern waren.
    Die Merkatoria hatte das ganze System einfach übernommen,
angemessen codifiziert und zur Staatsreligion der gegenwärtigen
Epoche erhoben.
    - Sie sind nicht gläubig, Fassin? Das Signal des
Colonels vermittelte Traurigkeit.
    - Ich schätze die intellektuelle Kraft der
Argumente.
    - Aber der Glaube ist nicht allezeit fest in Ihrem
Bewusstsein verankert.
    - Bedauere. Nein.
    - Nehmen Sie es nicht tragisch. Gelegentlich fällt es uns
allen schwer. Vielleicht können wir uns später einmal
ausführlicher darüber unterhalten.
    - Das hatte ich befürchtet.
    - Kehren wir also zu meiner Frage zurück.
    - Ob ich an das ganze Zeug glaube?
    - Richtig.
    Fassin sah hinab auf das Schiff, die mächtige Konstruktion
aus dröhnenden Triebwerken, wirbelnden Rotoren und
Verstrebungen. Die Lange Überfahrt: dreißig Millionen
Jahre von einer Galaxis zur anderen.
    - Die Vorstellung, die Dweller hätten irgendetwas gebaut,
was eine Reise dieser Länge überdauern könnte,
strapaziert meine Glaubensbereitschaft ganz gehörig, gestand
er.
    - Die Behauptung, die Reise nach draußen sei so viel
schneller vonstatten gegangen, scheint mir ebenfalls ins Reich der
Phantasie zu gehören.
    Ach ja, das große intergalaktische Wurmloch –
höchstwahrscheinlich ein Mythos.
    - Ich möchte Ihnen nicht widersprechen, Colonel. Ich
würde nur sagen, auch wenn alles andere Unsinn wäre,
könnte das Objekt, nach dem wir suchen, trotzdem
existieren.
    - Dann befindet es sich in unwahrscheinlicher Gesellschaft. -
Auch darin möchte ich Ihnen nicht widersprechen. Es bleibt dabei: Sie sind ein echter Colonel, ich bin nur ehrenhalber Major,
und Befehl ist Befehl.
    - Der Eifer, mit dem man seine Befehle auszuführen sucht,
könnte davon abhängen, wie sehr man daran glaubt, dass es
überhaupt möglich ist, sie erfolgreich
auszuführen.
    - Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Worauf wollen Sie
hinaus?
    - Ich sondiere nur, Major.
    - Sie wollen wissen, wie engagiert ich bin? Ob ich mein Leben
einsetzen würde, um… das Objekt unserer Begierde in die
Hand zu bekommen?
    - So in etwa.
    - Mir scheint, wir sind beide Skeptiker, Colonel. Ich wohl noch
mehr als Sie. Und wir halten es für wichtig, unsere Pflicht zu
tun. Sie vielleicht mehr als ich. Zufrieden?
    - Durchaus.
    - Ich auch.
    - Ich habe heute eine Nachricht von der Ocula erhalten.
    - Tatsächlich?
    Wolltest du mir das in jedem Fall sagen, oder hätte ich
nichts erfahren, wenn ich bei diesem Gespräch meine Skepsis in
Bezug auf die Mission noch deutlicher geäußert hätte?
Oder hat dein ›Sondieren‹ nur ergeben, dass du mir jetzt
nicht alles sagen wirst?
    - Ja. Unsere Befehle bleiben bestehen. Zur Zeit des Anschlags
auf den Mond Third Fury gab es weitere Angriffe überall im
System. Auch derzeit finden noch kleinere Überfälle statt.
Die Kommunikationssatelliten um Nasqueron werden so schnell wie
möglich repariert. Inzwischen hat die Navarchie über dem
Planeten eine Flotte stationiert, die als Ersatz für die
Satelliten fungieren und Sie und mich beschützen und
unterstützen soll. Und sie soll uns nach Abschluss der Mission
oder in einem Notfall hier abholen.
    Fassin überlegte einen Moment.
    - Haben Sie etwas von meinem Sept gehört, dem Sept
Bantrabal?
    - Nein.

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