Kultur 08: Der Algebraist
immer noch um mich und das, was ich gefunden haben soll?, fragte er sich. Je mehr ich höre, desto mehr hoffe ich,
dass dem nicht so ist.
»Es gibt einen Umstand, einen Nexus, in dem viele
zufällige Informationen zusammenlaufen,« sagte das Abbild
mit einem breiten, aber freudlosen Lächeln und einer gewissen
Schadenfreude in der Stimme, »und in diesem Umstand vermuten wir
die Ursache für alles, was eben angesprochen wurde.« Die
Projektion wandte sich dem Hierchon Ormilla zu und sah ihn fest an.
»An dieser Stelle muss ich darum bitten, dass alle, die nicht
ausdrücklich zu diesem Treffen eingeladen wurden, den Saal
verlassen. Die Soldaten können wir vielleicht ausnehmen,
vorausgesetzt, ihre Kopfhörer werden abgeschaltet, aber ich
würde gegen meine Befehle verstoßen, wenn ich
fortführe, solange noch Unbefugte anwesend sind.«
»Admiral Quile«, dröhnte der Hierchon mit
gerade so viel Nachdruck wie nötig. »Ich verbürge mich für jeden, der hier im Saal ist und
versehentlich nicht auf der Liste steht, von der Sie sprechen. Sie
können fortfahren.«
»Wenn die Entscheidung bei mir läge, würde Ihr Wort
natürlich vollauf genügen, und ich hätte keinerlei
Bedenken oder Vorbehalte«, versicherte das Abbild des Admirals.
»Ich bedauere zutiefst, wenn Sie den Eindruck gewinnen
könnten, ich hätte auch nur die leiseste Absicht, Ihre
geschätzten Höflinge kränken zu wollen, aber ich bin
an die Befehle des Komplektor-Rates gebunden, und er hat mir jedes
weitere Wort ausdrücklich verboten.«
Autsch, dachte Fassin. Der Hierchon tat ihm fast Leid. Das
Hologramm hatte ihm soeben nicht nur gezeigt, wer hier das Sagen
hatte, es hatte ihn öffentlich gedemütigt. Ein Sarkomagier
stand über einem Hierchon und war seinerseits einem Komplektor
unterstellt. Und ein einzelner Komplektor mochte seine Macht
innerhalb der zivilisierten Galaxis in jeder Hinsicht
uneingeschränkt ausüben können – den Willen des
Komplektor-Rates hatte er zumindest zu berücksichtigen. Die
Angehörigen des Komplektor-Rates wiederum waren wahrhaft
allmächtig und nur an die Naturgesetze gebunden, wobei alle Welt
behauptete, sie gäben sich alle Mühe, auch die noch zu
umgehen.
Hierchon Ormilla gab sich mit Anstand geschlagen, und wenige
Minuten später hatte die Hälfte der bis dahin Anwesenden
den Saal verlassen. Die unterschiedlich hohen Plattformen vor dem
imposanten Schutzanzug des Hierchon wirkten verwaist. Alle
Funktionäre und Höflinge waren murrend abgezogen. Fassin
hatte noch nie so viel verletzte Würde auf einem Haufen gesehen.
Die Militärbonzen waren noch zugegen, aber auch auf ihren
Plattformen hatten sich die Reihen gelichtet. Colonel Somjomion von
der Justitiarität und der Oberste Archivar Voriel von der
Cessoria mussten bis auf Bodenhöhe hinabsteigen, um die die
Bedienung der zwei wichtigsten Geräte zur Überwachung des
Kochkessels und der darin enthaltenen KI zu übernehmen. Die
Spiegelsoldaten standen nach wie vor mit eingerasteten Panzergelenken
in einem großen Kreis hinter ihnen, doch jetzt waren sie
taub.
Fassin hatte die ganze Zeit unbeachtet auf seinem Platz gesessen
und sich gefragt, was er von alledem zu halten hatte. Dabei wusste er
genau, was er denken sollte: Was zur Hölle mag ich da
gefunden haben, was mag es sein, was ein solches Maß von
Paranoia und Geheimniskrämerei bis in die höchsten
Ränge rechtfertigen könnte? Aber das Denken fiel ihm
schwer. Er wusste auch, was er spüren sollte:
nämlich Angst. Das klappte besser: das Entsetzen, das ihn
erfüllte, war messerscharf und übermächtig.
»Danke«, sagte das Abbild des Generals. »Und
nun«, ein Blick in die Runde der noch Verbliebenen,
»möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Was wissen Sie von
der so genannten Dweller-Liste?« Die Gestalt hob die Hand.
»Eine rhetorische Frage. Sie brauchen nicht zu antworten. Wer
möchte, kann sich gerne über seinen Bildschirm oder das
entsprechende Gerät informieren. Lassen Sie sich Zeit.«
Überall wurde hektisch getippt. Die Dweller-Liste?, dachte Fassin. Verdammter Mist; was soll der Unsinn?
Das Hologramm lächelte. »Ich werde Ihnen zu gegebener
Zeit sagen, inwiefern wir hier – wo das Signal und die
Projektion entwickelt und aufgezeichnet werden – inwiefern wir
dieses Thema für wichtig halten.«
Fassin hatte natürlich von der Dweller-Liste gehört; es
gab keinen Seher, der sie nicht kannte. Leider wussten auch viele
Laien von der Liste, und so war sie zu einem jener
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