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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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unerträglich
ausgelutschten Themen geworden, die immer angeschnitten wurden, wenn
jemand auf einer Party einen Seher kennen lernte – neben anderen
uralten Klischees wie: ›Machen die Dweller wirklich Jagd auf
ihre eigenen Jungen?‹ und: ›Sind sie tatsächlich so
alt, wie sie behaupten?‹
    Die Dweller-Liste war eine Sammlung von Koordinaten. Sie war,
soweit sich das mit Sicherheit feststellen ließ, gegen Ende des
Burster-Krieges vor vierhundert Millionen Jahren aufgetaucht und
wahrscheinlich schon damals gründlich veraltet gewesen.
Angeblich waren auf der Liste die geheimen Arteria-Portale der
Dweller aufgeführt, die seit der Epoche des Langen Zerfalls
schrittweise angelegt worden sein sollten. Damals hätten, so
hieß es, die Dweller entschieden, man könne nicht davon
ausgehen, dass die anderen Spezies – oder Speziesgruppen –,
mit denen sie ihre Galaxis teilen müssten, imstande seien, ihre
eigenen oder die gemeinschaftlich betriebenen Wurmloch-Netzwerke
wirksam zu schützen. Wenn man sicher und ohne Umstände von
einem Gasriesen zum anderen reisen wolle, sei es daher ratsam, ein
eigenes Arteria-Netz zu bauen und zu kontrollieren – und dieses
Netz vor allen anderen geheim zu halten.
    Natürlich berücksichtigte diese Geschichte die
Einstellung der Dweller zu Zeit, Raum, Größe und mehr oder
weniger allem anderen in keiner Weise. Die Dweller brauchten keine
Wurmlöcher, die es ermöglichten, so gut wie ohne
Zeitverlust von einem System zum anderen zu reisen. Sie hatten eine
Lebenserwartung von Milliarden von Jahren und konnten ihren
Metabolismus und ihre Denkvorgänge so weit verlangsamen, dass
eine Reise von tausend, zehntausend oder auch hunderttausend Jahren
für sie nicht länger dauerte als eine einzige Schlafperiode
oder nicht mehr Zeit beanspruchte, als man brauchte, um ein gutes
Buch zu lesen oder ein kompliziertes Spiel zu spielen. Außerdem
waren sie bereits überall gewesen; nach eigener Aussage hatten
sie sich in der Ersten Diaspora-Epoche, die zu Ende ging, als das
Universum erst zweieinhalb Milliarden Jahre alt war, über die
ganze Galaxis ausgebreitet. Selbst wenn das geprahlt sein sollte,
eine typische Dweller-Übertreibung, war nicht zu leugnen, dass
Dweller in beachtlicher Anzahl in mehr als neunundneunzig Prozent
aller Gasriesenplaneten der Galaxis zu finden waren, und das schon so
lange, wie irgendjemand sich erinnern konnte. (Die große
Ausnahme war der Jupiter. Der Gasriese im Hinterhof der Menschheit
fiel insofern aus dem Rahmen, als er vergleichsweise wasserarm war.
Für die Dweller galt er als Wüstenplanet und wurde nur
selten aufgesucht.)
    Nachdem Fassin Jahrhunderte in Echtzeit und Jahrzehnte in
scheinbarer Zeit bei den Dwellern verbracht hatte, konnte er sich des
Eindrucks nicht erwehren, die Dweller verabscheuten die
›Schnellen‹-Spezies wie die Menschen und alle anderen in
der Merkatoria, die es für nötig hielten, Wurmlöcher
zu benützen – und bedauerten sie zugleich.
    In den Augen der Dweller bedeutete ›schnell‹ zu sein
– derart überstürzt zu leben – sich zu einem
frühen Ende zu verurteilen. Das Leben habe eine Bahn, eine
natürliche Kurve, der man sich nicht entziehen könne.
Evolution, Entwicklung, Fortschritt: all das wirke zusammen, um eine
empfindungsfähige Spezies in einer bestimmten Richtung
voranzutreiben, der Einzelne könne nur entscheiden, ob er die
Straße im Laufschritt hinter sich bringen oder sie
entlangschlendern wollte. Die ›Langsamen‹ ließen sich
Zeit und stellten sich auf die Größe und die
natürlichen Grenzen ihrer Galaxis und des ganzen Universums in
seiner derzeitigen Existenzform ein.
    Die ›Schnellen‹ suchten nach Abkürzungen und
schienen entschlossen, sogar die Struktur des Raumes ihrer Hektik und
Ungeduld zu unterwerfen. Wenn sie intelligent waren, setzten sie
ihren Kopf durchführten aber ihr eigenes Ende damit nur umso
früher herbei. Sie lebten rasch und starben noch rascher, rasten
wie jäh aufflammende, prachtvolle aber schnell verblassende
Leuchtspuren über das Firmament. Die Dweller wollten wie alle
›Langsamen‹ auch noch fernere Zeiten erleben und waren
bereit, so lange zu warten.
    Warum sich die Dweller also die Mühe gemacht haben sollten,
ein geheimes Wurmlochnetzwerk zu bauen, war daher ein Rätsel,
ebenso, wie es ihnen gelungen war, ein solches Netz über so
viele hundert Millionen Jahre geheim zu halten, und erst recht, wie
sich das damit vereinbaren ließ, dass jede einzelne
Dweller-Gemeinde

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