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heißen: Trotz oder gerade auch aufgrund der hohen körperlichen Anforderungen gehört das Ballett unbestritten ans Theater. Und ein guter Choreograf oder Ballettintendant wird ohnehin die Karriere seiner Tänzer und die künstlerischen Projekte sehr sorgfältig nach deren körperlichen Möglichkeiten ausrichten.
Eine kleine Geschichte des Tanzes
Die Tradition des großen Tanzes als künstlerische Form entwickelte sich im Barock. Wobei es zunächst die höfische Gesellschaft selbst war, die den Tanz aufführte, oft sogar mit dem König an ihrer Spitze. Aus dem Festsaal heraus wanderte die Kunstform dann (zunächst in Frankreich) auf die Bühne des Opernhauses und wurde dort von professionellen Tänzern ausgeführt, die ihre Fähig- und Fertigkeiten entsprechend verfeinerten und zur Schau stellten.
Der Tänzer Jean-Georges Noverre (1727–1810), tätig unter anderem an den Höfen von Berlin, Stuttgart und Wien, versuchte als Erster, den Tanz als eigenständige darstellende Kunst neben Schauspiel und Oper zu etablieren. Er wollte auf der Bühne nicht nur einzelne Tanznummern zeigen, sonderneine Geschichte erzählen. Die Grundlage solcher Handlungsballette sollten nicht länger traditionell vorgegebene Tanzschritte sein, sondern die »Nachahmung der Natur«.
Das Ballett als eigenständige, abendfüllende Theateraufführung, eingeteilt in einzelne Szenen und mehrere Akte, etablierte sich im 19. Jahrhundert vor allem in St. Petersburg und Paris. »Ein wahrer Tänzer muss auch ein guter Schauspieler und im Herzen ein Poet sein«, forderte der Choreograf Charles Didelot (1767–1837), um die Gleichrangigkeit von Technik und Ausdruck klarzustellen. In dieser Zeit entstanden die großen romantischen Ballette »La Sylphide« (1832) und »Giselle« (1841), Märchengeschichten über feenhafte Wesen, bei denen eine einzelne Tänzerin, die Primaballerina, im schneeweißen Kostüm im Zentrum stand.
Im russischen St. Petersburg kreierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Choreograf Marius Petipa (1818–1910) jenen klassischen Ballettstil, der noch heute auf vielen Bühnen gepflegt wird – mit großen geometrisch angeordneten Tableaus der Tänzer, mit Spitzentanz und Sprüngen, vor allem aber als Höhepunkt mit einem großen, dramatischen Zweier-Tanz der Primaballerina mit dem besten Tänzer der Truppe: einem Pas de deux (»Schritte zu zweit«). Gemeinsam mit dem Komponisten Peter Tschaikowsky entstanden so die Märchenballette »Dornröschen«, »Nussknacker« und »Schwanensee« – Stücke, die bis heute in der ganzen Welt ein großes Publikum verzaubern.
Der Künstler Sergej P. Diaghilew (1872–1929) und der Tänzer Michail Fokin (1880–1942) setzten zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Impulse, zunächst von St. Petersburg und Moskau aus, weswegen man hier vom Ballets Russes spricht. Für Diaghilew war der Tanz ein Gesamtkunstwerk. Deswegen wollte er statt nummernhafter Abende mit Zwischenapplaus des Publikums durchkomponierte Ballettdramen schaffen und arbeitete dabei eng mit Musikern und Literaten zusammen.
In diesem Sinne wurden die drei großen Ballette Igor Strawinskys, »Der Feuervogel« (1910), »Petruschka« (1911) und »Le Sacre du Printemps« (»Die Frühlingsweihe«, 1913) zu Meilensteinen der Ballettgeschichte – und das »Sacre« zu einem der größten Skandale in der Geschichte des Theaters überhaupt. Als das Pariser Publikum am 29. Mai 1913 feststellte, dass es sich bei der im Titel verheißenen Weihehandlung um ein Menschenopfer handelte, vor allem aber, als es die revolutionäre Musik Strawinskys erstmals hörte, brach es zunächst in Gelächter, dann in wütendes Gebrüll aus. Heute ist die Bedeutung des Werkes dagegen unbestritten. Das Stück gehört zum Kern des Ballettrepertoires und hat Choreografen stets zu neuen Interpretationen angeregt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Tanzsprache weiter. Der britische Choreograf John Cranko (1927–1973; er war langjähriger Ballettdirektor am Staatstheater Stuttgart) modernisierte in den 60er-Jahren das Ballett, indem er die klassischen Formen mit künstlerischen Impulsen vor allem aus Amerika belebte und zudem die darstellerische Kraft seiner Tänzer neu forderte. Die Tänzer wurden somit zugleich zu Schauspielern. Tänzerische Glanznummern waren bei Cranko nie Selbstzweck, sondern harmonisch eingefügt in die Handlung. Seine großen Stücke »Romeo und Julia« oder »Der Widerspenstigen Zähmung«
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