Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
werden. Das gilt für »Oklahoma« von Richard Rogers (1943), das gilt für »Kiss me, Kate« von Cole Porter (1948), und das gilt erst recht für »My Fair Lady« von Frederick Loewe (1956) und »West Side Story« von Leonard Bernstein (1957).
Leonard Bernstein (1918–1990), einer der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts, ist der eindrucksvollste Beleg dafür, wie fremd den Amerikanern die Trennung zwischen ernsthafter Klassik und unterhaltsamem Musical ist: Als Dirigent der New Yorker Philharmoniker hat Leonard Bernstein Konzerte gegeben, die sowohl die klassische Musikkritik als auch das Publikum überzeugten; als Komponist von »West Side Story« hat er das musikalisch vielleicht anspruchsvollste und zugleich weltweit erfolgreichste Werk des Musical-Genres geschaffen.
Ende der 60er-Jahre öffnete sich das Musical den neuesten Musiktrends, den Rhythmen der Pop- und Rockmusik. Die Hippiegeschichte »Hair« (1967) von Galt MacDermot und das Passionsstück »Jesus Christ Superstar« von Andrew Lloyd Webber sind einerseits massenwirksame Unterhaltungsshows. Andererseits sind sie auch Zeitdokumente jugendlicher Subkulturen, die beim Publikum hitzige Diskussionen hervorriefen. Ebenso wie die Produktion »Tommy« von der Rockgruppe The Who, die von einem autistischen Jungen erzählt, der zum Messias wird.
Immer diese Katzen: das Musical als Unterhaltungsprodukt
Einer der erfolgreichsten Musicalkomponisten aller Zeiten ist der Brite Andrew Lloyd Webber (*1948). Mit seinen Werken, die in allen Metropolen rund um den Erdball aufgeführt werden, erklomm das Genre den Gipfel des globalen Erfolgs. Das ist zweifellos der in aller Regel großen musikalischen Qualität von Webbers Stücken zu verdanken, die einerseits eingängige Songs bieten, andererseits aber die Tradition des Musiktheaters bis weit ins 19. Jahrhundert zurück aufgreifen.
Bei den Stoffen allerdings scheut Webber fast jedes Risiko. Während er mit »Jesus Christ Superstar« immerhin noch einige Kirchenvertreter schockierte, weil er die Heilandsgeschichte als Stück der Popkultur präsentierte, kleidete er seine späteren Stücke fast ausschließlich in historische oder märchenhafte Gewänder – als wollte er möglichst niemandem auch nur irgendwie zu nahe treten. Bei den Inszenierungen überlässt Webber nichts dem Zufall. Wo auch immer in der Welt der Zuschauer die Katzengeschichten von »Cats« (1981) oder das maßvoll schaurige »Phantom der Oper« (1986) sieht – er sieht identische Aufführungen. Webber will dem Publikum perfekt durchgestylte Shows bieten und feiert damit riesige Erfolge.
Das führte in den 90er-Jahren zu dem Trend, Musicaltheater als eine Art von Vergnügungszentren zu bauen, die über lange Zeit hinweg stets die gleiche Produktion zeigen und damit den Produzenten (und den jeweiligen Städten und Gemeinden) sichere Einkünfte liefern sollten, wie zum Beispiel in Hamburg, Stuttgart, Essen, Berlin, Bochum, Bremen … Der Erfolg war letztlich bescheidener und weniger anhaltend, als von den Verantwortlichen erhofft – aus verschiedenen Gründen. Einer davon ist der künstlerische Aspekt: Nur wenige der neuesten Musicals können jene Qualität bieten, die ein Komponist wie Andrew Lloyd Webber noch garantiert. Vieles klingt heute beliebig und austauschbar und wie eine Aneinanderreihung sanfter Liebesduette mit dramatischen Ensemblenummern. Man merkt den Produktionen allzu deutlich an, dass sie nichts weiter sein wollen als Produkte. Auf Dauer aber fühlen sich viele Zuschauer dann doch bedeutend unter Wert gekauft.
Auf der verzweifelten Suche nach dem Publikumsgeschmack
Wer heute eine Operette sehen möchte, wird noch von einigen Stadttheatern und Tourneeproduktionen bedient. In welcher Qualität, das entscheidet das Engagement der Intendanten und der Produzenten solcher Aufführungen. Im Grundejedoch ist die Entwicklung der Kunstform Operette abgeschlossen – was sicher nicht zur Lebendigkeit aktueller Inszenierungen beiträgt.
Anders beim Musical. Dieses Genre wird vielfach gepflegt. Kleinere Theater in Deutschland kümmern sich um die alten Perlen der großen Broadway-Zeit, schaffen zum Teil auch mit geringen Mitteln erstaunlich erfolgreiche neue Werke (wie »Linie 1« von Birger Heymann und Volker Ludwig, ein Stück des Berliner Kindertheaters »Grips« über das komplizierte, aber auch lustvolle Großstadtleben).
Darüber hinaus gibt es Musical-Großproduktionen, die – gerade aufgrund ihrer Größe und weil
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