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Titel: Kunden lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lueth
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schaffen.

2. Superextramegatoll!
Die Augenbrauenform
    Es ist Samstag, Anfang Juni, Großkampftag im Heimwerkermarkt, und die Kunden stehen schon vor Öffnung der Verkaufsräume Schlange. Jeder will jetzt seinen Garten in Ordnung bringen, und so sind Thomas Grün und sein älterer Kollege Willi Oberbusch auch ein bisschen nervös an diesem Morgen. Die beiden betreuen die Abteilung Gartengeräte und Rasentraktoren. Da stürmt auch schon der erste Kunde auf Willi zu.
    »Hallo, ich brauche dringend eine neue Heckenschere. Die alte ist eben von der Leiter gefallen und in zehntausend Stücke zerschellt.« Er lächelt ein wenig gequält und rollt theatralisch mit den Augen. »Ich muss heute mit der Hecke fertig werden, sonst macht meine Frau mir die Hölle heiß. Sie müssen mich retten. Und leise muss die Heckenschere sein, sonst flippen die Nachbarn wieder aus.«
    »Dem würde ich die kleine Elektroschere von Bosch verkaufen. Die ist so leise, da gibt’s keinen Stress mit den Nachbarn«, denkt sich Thomas, der das Gespräch aus dem Parallelgang verfolgt. Doch was jetzt kommt, überrascht ihn. Der sonst eher zurückhaltende Willi ist wie ausgetauscht: »Ach, was für ein Ärger, dass die alte zerstört ist. Aber zum Glück finden Sie bei uns ja eine riesige Auswahl extrem guter Geräte. Und Ihre Frau wird Ihnen heute Abend voller Glück um den Hals fallen.«
    Jetzt legt der Kunde erst richtig los: »Ach wissen Sie, die war eh uralt. Als ich letztes Jahr die Haselnusshecke geschnitten habe, kam ich kaum mehr durch und habe ewig gebraucht, weil die Messer total stumpf waren. Heutzutage ist ja immer alles so gebaut, dass man nichts mehr austauschen kann. Da wird man als Kunde von der Industrie völlig ausgenommen, immer muss man gleich was Neues kaufen.«
    »Ja, ja, die gute alte Zeit. Immerhin haben wir heute bei den absoluten Top-Modellen Ersatzmesser mit einer Nachkaufgarantie von mindestens zehn Jahren. Zum Beispiel bei diesem guten Stück aus der Profi-Liga. Da ist der Messertausch absolut genial gelöst und geht schneller als ein Boxenstopp in der Formel 1.«
    Wenige Sätze später beobachtet Thomas aus dem Nachbargang, wie der Kunde mit dem teuersten Exemplar Richtung Kasse marschiert. »Was Willi kann, kann ich schon lange«, freut sich der junge Verkäufer auf seinen nächsten Kunden, der auch einige Minuten später schon vor ihm steht.
    Der graumelierte Herr möchte einen Rasentraktor für sein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück kaufen. Da ist Thomas genau in seinem Element, denn mit den Aufsitzmähern kennt er sich seit einer ausführlichen Produktschulung in der vergangenen Woche bestens aus. Jetzt muss er nur noch genauso verkaufen wie Willi eben, dann hat er den Deal sicher in der Tasche.
    »Bei dem krass großen Grundstück glaube ich, dass Sie einen Aufsitzmäher brauchen, und zwar so ein richtiges Hammerteil, mit dem Sie Ihre Nachbarn auf jeden Fall neidisch machen können und im Handumdrehen fertig sind. Das Ding ist die Bombe: 1,40 Meter Schnittbreite. Der macht in jedem Testbericht die Konkurrenz nass. Also wenn ich so einen Rasen hätte, 20.000 Quadratmeter, ich schwör Ihnen, da würde ich genau den nehmen.
    Und der ist total flexibel: Schnee räumen, vertikutieren, häckseln, ja sogar pflügen können Sie mit dem Ding – wie ein Schweizer Taschenmesser im XXL-Format. Genau das Richtige für Ihren Park. Ach übrigens, er hat einen butterweichen Sitz mit einer weltweit einmaligen Federungskonstruktion, damit schweben Sie wie auf einer Sänfte durch den Garten.«
    Doch so sehr Thomas sich auch bemüht, der Funke der Begeisterung will bei diesem Kunden nicht überspringen, nicht einmal zum Probesitzen kann er ihn überreden. »Die anderen Modelle kann ich Ihnen alle nicht empfehlen, weil die für 20.000 Quadratmeter viel zu klein sind. Da kommt eben nur unser bester Rasentraktor infrage«, versucht er mit ein bisschen Druck, den Mäher doch noch zu verkaufen. Aber es hilft nicht.
    »Danke, ich überlege mir das noch mal«, verabschiedet sich der grau Melierte kurz danach unverbindlich.
    »Wieso habe ich es nicht geschafft, diesem Kunden meine ehrliche Begeisterung zu vermitteln und ihn zum Kauf zu bewegen? Was kann Willi, was ich nicht kann?«, fragt sich Thomas.
Gerade oder steil?
    Welchen Stellenwert haben Emotionen in einem Verkaufsgespräch? Wie viel Raum braucht ein Kunde, um sich wohlzufühlen und letztlich die Kaufentscheidung zu treffen? Für den einen Kunden sind Gefühle das Maß aller

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