Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
Vom Netzwerk:
bist du
kein Nicht-Meister der Litotes«, sagte Jason. Li-toh-tess .
Henry wiederholte es für sich, um es später nachschlagen zu können. »Wenn wir
zurückkommen, werde ich diese Jeans verbrennen.«
    »Was stimmt denn nicht
mit diesen Jeans?« Er sah hinunter auf seine Beine. Die Frage war nicht
rhetorisch gemeint: Es stimmte ganz offensichtlich etwas nicht mit seinen
Jeans. So viel hatte er seit seiner Ankunft am Westish mitbekommen, genauso wie
er mitbekommen hatte, dass mit seinen Schuhen etwas nicht stimmte, mit seinen
Haaren, seinem Rucksack und allem anderen. Aber er wusste nicht so recht, was.
So wie die Eskimos hundert Wörter für Schnee hatten,
hatte er bloß ein einziges für Jeans .
    Mit Jasons Auto fuhren
sie zu einer Mall in Door County. Henry verschwand in zahllosen Umkleidekabinen
und tauchte wieder und wieder zur Begutachtung auf.
    »Na bitte«, sagte Owen,
»geht doch.«
    »Die?« Henry zupfte an
den Taschen, zupfte am Schritt. »Ich find die ganz schön eng.«
    »Die weiten sich noch«,
sagte Jason. »Und wenn nicht, umso besser.«
    Als sie fertig waren,
hatte Owen bei zwei Paar Jeans, zwei Hemden und zwei Pullovern Na bitte, geht doch gesagt. Ein bescheidener Stapel, aber
als Henry im Kopf die Preise zusammenrechnete, kam mehr heraus, als er auf dem
Konto hatte. »Brauche ich wirklich zwei Paar?«, sagte er. »Eins ist doch ein
guter Anfang.«
    »Zwei«, sagte Jason.
    »Ähm.« Henry schaute
stirnrunzelnd auf die Sachen. »Hmm …«
    »Oh!« Owen schlug sich
mit der flachen Hand vor die Stirn. »Hatte ich das gar nicht erwähnt? Ich bin
im Besitz einer Gutscheinkarte für dieses Geschäft. Und ich muss sie
schnellstens benutzen, damit sie nicht abläuft.« Er griff nach den Sachen in
Henrys Händen. »Her damit.«
    »Aber es ist deine«,
widersprach Henry. »Du solltest dir davon selbst etwas kaufen.«
    »Sicherlich nicht«,
sagte Owen. »Ich würde niemals hier einkaufen.« Er entwand Henrys Händen den
Stapel und warf Jason einen Blick zu. »Ihr wartet draußen.«
    Henry besaß nun also
zwei Paar Jeans, die sich etwas geweitet hatten, sich aber immer noch zu eng
anfühlten. Als er allein im Speisesaal saß und seine vorbeilaufenden
Kommilitonen betrachtete, bemerkte er, dass sie den Jeans der anderen ziemlich
ähnlich sahen. Fortschritte, dachte er. Ich mache Fortschritte.
    »Stimmt das?«, sagte
sein Vater jetzt. »Du hast dir von dem Typen Klamotten kaufen lassen?«
    »Ähm …« Henry suchte
nach einer nicht unwahren Antwort. »Wir waren in der Mall.«
    »Warum kauft er dir
Kleidung?«, erhob sich die Stimme seiner Mutter wieder.
    »Ich kann mir nicht
vorstellen, dass er Mike Schwartz Kleidung kauft«, sagte Henrys Vater. »Das
kann ich mir wirklich nicht vorstellen.«
    »Ich glaube, er will,
dass ich mich einfüge.«
    » Dass
du dich wo einfügst?, müsste man sich fragen. Liebling, nur weil Leute
mehr Geld haben als du, bedeutet das nicht, dass du dich ihren Vorstellungen in
Bezug auf einfügen unterordnen musst. Du musst du
selbst sein. Haben wir uns da verstanden?«
    »Denke schon.«
    »Gut. Sag Owen bitte,
dass du dich vielmals bedankst, seine Geschenke aber unter keinen Umständen annehmen
kannst. Du bist nicht arm, und du bist nicht auf Almosen von Fremden
angewiesen.«
    »Er ist kein Fremder.
Und ich hatte sie schon an. Er kann sie nicht zurückbringen.«
    »Dann kann er sie
jemandem spenden, der bedürftig ist. Ich will darüber nicht mehr sprechen,
Henry. Haben wir uns da verstanden?«
    Er wollte ebenfalls
nicht mehr darüber sprechen. Ihm ging auf – zum ersten Mal eigentlich, derart
schwer von Begriff, derart langsam war er –, dass seine Eltern achthundert
Kilometer weit weg waren. Sie konnten ihn zwingen, nach Hause zu kommen, sie
konnten es ablehnen, den vereinbarten Teil der Studiengebühren zu bezahlen,
aber seine Jeans sehen, das konnten sie nicht. »Verstanden«, sagte er.

4
    –
    Es war beinahe Mitternacht. Henry presste das Ohr an die
Tür. Die verschwitzten, heiseren Geräusche, die von innen kamen, waren selbst
über den Rhythmus der Musik hinweg zu vernehmen. Er hatte eine Ahnung, was dort
vor sich ging, wenn auch ziemlich vage. Es hörte sich schmerzvoll an, zumindest
für einen der Beteiligten.
    »Uuuh.
Uuuh. Uuuh.«
    »Komm schon, Baby. Komm
schon –«
    »Oooooh-«
    »So ist es gut, Baby.
Hör nicht auf.«
    »-uuuhgrrrraaah-«
    »Warte, langsam.
Langsam, langsam, langsam. Ja, Baby. Genau so.«
    »-ooohgrrrrnnn-«
    »Du bist riesig!
Scheiße noch mal, du

Weitere Kostenlose Bücher