Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
Vom Netzwerk:
Teamkameraden solchen Anteil aneinander nehmen.«
    Gerade ließ Coshwales
Schlagmann einen Ball vom Schläger abtropfen. Rick O’Shea, der für seine Größe
erstaunlich beweglich war, trat an und sicherte ihn geschickt, doch sein Wurf
zur Third verfehlte das Ziel, und dem Spieler im linken Außenfeld gelang es
nicht, den Ball an seiner Statt rechtzeitig unter Kontrolle zu bringen und in
Richtung Home Plate zu befördern. Zwei weitere Läufer konnten punkten. Es stand
jetzt 5:2 für die GÄ TE .
    »Ihr Pitcher wirft sich
die Seele aus dem Leib«, sagte Dwight, als Adam Starblind sich vor Wut mit dem
Handschuh gegen die Hüfte schlug. »Und er ist talentiert. Aber der Rest der
Mannschaft scheint ziemlich am Ende zu sein.«
    Sie saßen direkt hinter
dem Westish-Unterstand, konnten also Henry nicht sehen. »Erholen sie sich
jemals wieder?«, fragte Affenlight. »Die Spieler mit diesem Syndrom?«
    »Steve Sax schon. Aber
von den Großen ist er wahrscheinlich der Einzige. Knoblauch wechselte von der
Second ins Außenfeld, weil ihm die weiteren Bälle weniger Probleme bereiteten.
Ankiel auch.«
    »Aber weiter zu werfen
ist doch schwieriger«, gab Affenlight zu bedenken.
    Dwight zuckte mit den
Schultern. »Manchmal ist schwieriger einfacher.«
    Es gab Affenlight ein
gutes Gefühl, dieses Gespräch zu führen, zu versuchen, dem Grund für Henrys Problem
auf die Schliche zu kommen, es in Relation zu setzen, doch Aparicio fixierte
schweigend das Feld, und selbst der eifrige und gesprächige Dwight schien sich
nicht so recht äußern zu wollen, und er verstand, dass es wohl gegen einen
Kodex des Baseballsports verstieß, wenn man solche Dinge in derartiger Nähe zu
jemandem breittrat, den es tatsächlich selbst betraf. Er entschied sich, eine
letzte Frage zu wagen.
    »War es vorher wirklich
noch nie vorgekommen? Vor neunzehndreiundsiebzig?«
    Aparicio atmete ein und
aus – eine Art Schulterzucken der ätherischen Art. Er wartete sehr lange, bevor
er antwortete, wie um auf würdevolle Weise seinem Widerwillen demgegenüber
Ausdruck zu verleihen, was Affenlight von ihm verlangte. »Wie oft kommt etwas
vor, bis wir es benennen? Und solange es keinen Namen gibt, existiert auch das
Syndrom nicht. Vielleicht ist es also auch davor schon häufig aufgetreten, aber
nie benannt worden. Andererseits: Baseball hat viele Historiker, auch unter den
Spielern. Es gibt Statistiken, Archive, Legenden, Überlieferungen. Sollten
bereits frühere Spieler mit ähnlichen Problemen zu kämpfen gehabt haben, wären
diese Geschichten vermutlich auch überliefert. Und der Name wäre dem Syndrom im
Nachhinein zugeschrieben worden.«
    1973. Im öffentlichen Bewusstsein war dieses
Jahr mit Bedeutung aufgeladen wie kaum ein anderes: Watergate, Roe vs. Wade, der Rückzug aus Vietnam. Die
Enden der Parabel. War es auch das Jahr, in dem die prufrocksche
Paralyse die gesellschaftliche Mitte erreichtee – das Jahr, in dem sie im
Baseball Einzug hielt? Es war plausibel, dass eine psychische Befindlichkeit,
die von den Künstlern einer Generation erspürt wurde – den Modernisten des
Ersten Weltkriegs –, eine gewisse Zeit brauchte, um sich in der breiten
Bevölkerung abzubilden. Und wenn es sich bei dieser Befindlichkeit zufällig um
einen grundlegenden Verlust des Vertrauens in die Wirksamkeit des eigenen
Handelns drehte, dann war die Befindlichkeit spätestens dann epidemisch zu
nennen, wenn sie in den Bereich eindrang, in dem es wohl am stärksten um
Selbstvertrauen ging: den des professionellen Sports. Daraus ließ sich eine
praktikable Definition der Postmoderne ableiten, einer Ära, in der selbst
Sportler nur noch von Seelenqualen heimgesuchte Modernisten waren. Wonach die
Ära des amerikanischen Postmodernismus im Frühling 1973 begonnen hatte, als ein Pitcher namens Steve Blass plötzlich nicht
mehr traf.
    Hat
es einen Sinn? Und hat es Zweck?
    Affenlight fand seine
Hypothese aufregend, wenn auch ziemlich windig konstruiert. Dann schaute er zu
Aparacio, der die Hände traurig im Schoß gefaltet hatte, und seine Begeisterung
gerann zu peinlicher Berührtheit. Literatur konnte einen zum Arschloch machen,
das hatte er in den eigenen Oberseminaren gelernt. Sie konnte einen dazu
bringen, reale Menschen zu behandeln wie Figuren in einem Buch, wie Werkzeuge
zur eigenen intellektuellen Befriedigung, Kadaver, an denen man seine
wissenschaftlichen Fähigkeiten testete.
    »Zweifel hat es immer
gegeben«, sagte Aparicio. »Selbst unter Sportlern.«

51
    —
    Die

Weitere Kostenlose Bücher