Kunst des Feldspiels
sie.
49
—
Die Harpooners auf der Bank – Asch, Loondorf, Jensen und
der ganze Rest – senkten die Blicke, als er die Stufen hinunterkam. Die Ruhe,
die er ausstrahlte, war unheimlich. Die Fans waren verstummt. Die Spieler
standen wie angenagelt auf dem Feld, starrten entgeistert zur Spielerbank
herüber. Die Schiedsrichter ebenso. Coach Cox’ Kiefer bearbeitete sein
Kaugummi. Niemand wusste, was zu tun war. Es war unklar, ob sie ohne ihn würden
weitermachen können. Es war ebenso unklar, welche Alternativen sie hatten.
Henry blieb vor Izzy stehen, legte dem Neuling eine Hand auf die
Schulter und wartete, bis Izzy den Blick hob und ihm in die Augen schaute.
»Mach dich warm«, sagte er. »Du gehst rein.«
Izzy sah Coach Cox an.
Coach Cox kam zu sich und riss den Zettel mit der Aufstellung aus der
Gesäßtasche seiner Dresshose. »Avila«, bellte er. »Komm in die Gänge,
verdammt!«
Izzy schnappte sich
seinen Handschuh und trabte, in die Sonne blinzelnd, die Treppe hoch und aufs
Feld. Henry ging zum hinteren Ende der Bank und setzte sich neben Owen. Owen
klappte sein Buch zu und legte es sich in den Schoß, aber ihm fiel nichts ein,
was er hätte sagen können. Henry zog sich erst den linken, dann den rechten
Stollenschuh von den Füßen, knotete die Schnürsenkel leicht zusammen und hing
sie um den Schultergurt seiner Sporttasche. Dann zog er sich die Badeschlappen
über die Sportsocken.
Coach Cox verhandelte
mit den Schiedsrichtern, während Izzy herumhüpfte und im Versuch, sich
warmzumachen, die Arme kreisen ließ. Wie er mit den Schultern schlackerte, die
aufrechte, beinahe prinzengleiche Haltung von Kopf und Schultern – es war
beinahe unheimlich. Man hatte das Gefühl, es handelte sich dabei um eine Art
Tribut. Rick warf ihm zum Aufwärmen einen Aufsetzer vor die Füße, den er mit
lässiger Anmut schluckte.
Henry zog sein Trikot
aus und faltete es sorgfältig vier Mal, sodass der Harpunier auf der linken
Brustseite nach oben zeigte. Darunter trug er wie immer sein verblichenes,
mittlerweile fast rosafarbenes Cardinals-Shirt. Er legte das Trikot in die
Tasche, platzierte den Handschuh behutsam obenauf, zog den Reißverschluss zu
und schob die Tasche mit den Füßen unter die Bank. Dann lehnte er sich zurück
und sah, die Hände auf den Oberschenkeln, aufs Feld hinaus. Das Spiel ging
weiter.
50
—
Affenlight saß noch immer zwischen den beiden
Baseball-Experten.
»Blass«, sagte Dwight Rogner, womit er ein langes und unangenehmes
Schweigen brach. »Sasser. Wohlers. Knoblauch. Sax.«
»Gegen Mr. Sax habe ich
jahrelang gespielt.« Aparicios Stimme war sanft, sodass man sich vorbeugen
musste, um ihn zu verstehen, jetzt allerdings sprach er noch leiser. »Ein guter
Mann mit allerdings mehr als fragwürdigen politischen Ansichten.«
»Chuck Knoblauch und
ich waren Teamkollegen. Sein einziges Jahr in der Minor League – wo ich zehn
Jahre lang war.«
Aparicio nickte.
»Und dann Rick Ankiel
natürlich, in unserem Verband.«
Mit diesen Namen konnte
Affenlight nichts anfangen. Sie gingen Dwight mit einer Art respektvollem
Widerwillen von der Zunge, wie eine Litanei von Freunden, die im Krieg gefallen
waren.
»Es wird
Steve-Blass-Syndrom genannt«, klärte Dwight Affenlight auf. »Nach dem ersten
Spieler, dem es passiert ist. Ein Werfer der Pirates. Aber das war noch vor
meiner Zeit.«
»Das war während der
Ära Clemente in Pittsburgh«, sagte Aparicio. »Einundsiebzig holten sie die
Meisterschaft. Clemente wurde zum wertvollsten Spieler gewählt, aber die Ehre
hätte ebenso gut auch Mr. Blass zuteil werden können. Er besaß eine
außergewöhnliche Fähigkeit, mit dem Ball umzugehen. Ein Jahr später, am
Silvesterabend, stürzte Clemente bei einem Hilfsgütertransport nach Nicaragua
mit dem Flugzeug ab. Und als das Frühjahrstraining begann, konnte
Mr. Blass auf einmal nicht mehr das tun, was er immer getan hatte. Es kam
ganz plötzlich. Die verschenkten Bases, die verzogenen Würfe. Ein Jahr später,
nur zwei Jahre nach dem Zenit seiner Karriere, entschied er sich für den
Rücktritt.«
»Glauben Sie, es hatte
mit Clementes Tod zu tun?«, fragte Affenlight.
Aparicio fasste sich
ans Kinn. »Meine Geschichte scheint das nahezulegen, oder? Aber in Wahrheit
habe ich nicht die leiseste Ahnung. Clementes Tod hat mich tief getroffen,
dabei bin ich ihm nie begegnet. Aber ich war noch ein Kind, ein Kind aus jenem
Teil der Welt. Für uns war Clemente ein Held. Aber es ist nicht zwangsläufig
so, dass
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